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Stadt St.Gallen
12.05.2023
12.05.2023 11:13 Uhr

Was uns Kieselsteine über sich erzählen

Das interaktive Innenleben der Kieselstein-Module lädt zu eigenen Entdeckungen in der Welt der Steine ein, die weit mehr als kalt und grau ist.
Das interaktive Innenleben der Kieselstein-Module lädt zu eigenen Entdeckungen in der Welt der Steine ein, die weit mehr als kalt und grau ist. Bild: Donato Caspari
Kieselsteine sind allgegenwärtig, in der Natur wie auch in der Stadt. Die neue Sonderausstellung «Kleiner Kiesel ganz gross» im Naturmuseum St.Gallen zeigt vom 20. Mai bis zum 17. September die Schönheit und verborgenen Geschichten dieser Steine.

Kiesel sind oft unbemerkte Wegbegleiter: Sie liegen auf Kiesbänken im Fluss, in Gärten und Stadtparks und besonders schöne Exemplare erhalten manchmal sogar einen Ehrenplatz auf dem Fensterbrett. Ihre Form, Farbe, Grösse und Struktur ist sehr unterschiedlich – auch wenn unter einem «Kieselstein» im Volksmund ein «kleiner, durch Wasserströmung rund geschliffener Stein» verstanden wird.

Wer so alt und so weit gereist ist, hat faszinierende Geschichten zu erzählen. Oft bleiben diese auf den ersten Blick vorerst verborgen.

Interaktive Kieselsteine

Die neue Sonderausstellung «Kleiner Kiesel ganz gross» möchte diese spannenden Geschichten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Ausstellung ist eine Produktion des Naturmuseums Winterthur. Szenografisch sind die sieben Themenbereiche der Ausstellung in je einem überdimensionalen Kieselstein verortet, der in Schubladen und hinter Klappen spannende Entdeckungen bereithält.

Gleich zu Beginn der Ausstellung wird der Begriffswirrwarr zum Kieselstein geklärt. Gibt es einen Unterschied zwischen «Kiesel» und «Kies»? Und ist wirklich jeder Kieselstein rund geschliffen?

Wer genau hinschaut, entdeckt mehrere Variationen der runden Form: Es gibt kantig gerundete, flach gerundete, stängelig gerundete und kugelig gerundete Kieselsteine. Die Form wird massgeblich durch die Gesteinsart beeinflusst. So tritt Sandstein als Kiesel häufig flach gerundet auf, während Granit in Kieselform meist kugelig gerundet vorgefunden wird.

Aufreibende Reise ans Meer

Die Bestimmung der Gesteinsart ist auch der Schlüssel zu den verborgenen Entstehungsgeschichten der Kiesel. Grundsätzlich werden drei Gruppen unterschieden: Einige stammen aus Ablagerungen in der Tiefsee (Ablagerungsgesteine), andere waren einst flüssig und sind erstarrt (Erstarrungsgesteine) oder wurden so stark erhitzt und zusammengepresst, dass ein neues Gestein entstanden ist (Umwandlungsgesteine).

Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft liegen sie heute vereint auf einer Kiesbank, sofern sie im Einzugsgebiet des gleichen Flusses vorkommen. So enthält einer der sieben Themenbereiche mehrere Schubladen, in denen die Funde einer Kiesbank nach Gesteinsgruppen geordnet präsentiert werden. Die Strömung des Flusses hat zwar die unterschiedlichen Gesteinsarten vermischt, die Steine aber nach Grösse, Gewicht und Härte sortiert und verschieden geformt.

Sand- und Kalksteine sind bereits nach wenigen Kilometern ihrer Reise ganz abgerundet, nach 10 bis 15 Kilometern sind sie nur noch halb so gross. Härtere Gesteine wie Granite oder Gneise sind nach 10 bis 20 Kilometern ganz abgerundet, aber erst nach 100 bis 300 Kilometern halb so gross wie zu Beginn. Je nach Weglänge und Gesteinsart erreicht ein Kieselstein aus der Schweiz das Mittelmeer bereits als feinster Sand.

  • Exklusiv in St.Gallen werden ergänzend besondere Kristallstufen aus der Sammlung des Ostschweizers Dr. Bertold Suhners präsentiert. Bild: Naturmuseum St.Gallen
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  • Die neue Sonderausstellung «Kleiner Kiesel ganz gross» vermittelt in sieben überdimensionalen Kieselsteinen faszinierende Geschichten zu den weit gereisten Steinen. Bild: Donato Caspari
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Kiesbänke als Lebensraum

Unter, zwischen und auf Kieselsteinen wird gerne gelebt, und zwar in unterschiedlichsten Altersphasen: vom gut getarnten Ei des Flussregenpfeifers, über die Köcherfliegenlarve bis zu ausgewachsenen Wasseramseln, Blutegeln oder Kieselalgen.

Aber auch auf Menschen wirken Kiesbänke anziehend: Als Erholungsort, als Abenteuerspielplatz oder als Fundort für besonders schöne Raritäten. Wer sein Fundstück in der Ausstellung zeigen möchte, hat im Themenbereich «Was macht einen Kiesel besonders?» die Möglichkeit dazu.

Vom Kiesel zum Mineral

Ergänzend zu den sieben überdimensionalen Kieselstein-Modulen des Naturmuseums Winterthur ist im Naturmuseum St.Gallen ein achter Kieselstein entstanden. Von aussen den anderen Kieselsteinen ähnlich, birgt das fast 5 Meter lange Modul in seinem Innern glitzernde Schätze in allen Farben und Formen. Sie stammen aus der Mineraliensammlung des Ostschweizer Industriellen und Kulturstifters Dr. Bertold Suhner (1910 bis 1988).

Die Kristallstufen aus aller Welt kaufte er als Studienobjekte für seine Doktorarbeit an der Universität Basel an. Neben zahlreichen Kristallstufen aus der Schweiz – vom häufigen Rauchquarz bis zum seltenen Rubin – sind auch Fundstücke aus der ganzen Welt darin enthalten.

Im Jahr 2021 konnte das Naturmuseum St.Gallen rund 1500 Kristallstufen der Bertold-Suhner-Sammlung als Schenkung übernehmen, wobei rund 300 davon gegenwärtig noch auf dem Säntisgipfel ausgestellt sind. Bereits seit 2003 beherbergt das Naturmuseum die Edelstein-Sammlung des Ostschweizers. Mit der Aufnahme der Mineraliensammlung sind die beiden bedeutenden Sammlungen wieder unter einem Dach vereint.

Am Freitag, 19. Mai, um 19 Uhr wird die Ausstellung eröffnet. Mit dabei:

  • Dr. Matthias Meier, Direktor Naturmuseum St.Gallen
  • Dr. Peter Kürsteiner, Vize-Präsident des Stiftungsrates
  • Dr. Sandra Scherrer, Erdwissenschaften, Naturmuseum Winterthur
pd/stgallen24