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Stadt St.Gallen
13.03.2023
13.03.2023 16:11 Uhr

Dernière für St.Galler Schauspieldirektor

Jonas Knecht (rechts) im Dezember 2019 mit Markus Joss bei den Probearbeiten zu Franz Kafkas «Der Prozess».
Jonas Knecht (rechts) im Dezember 2019 mit Markus Joss bei den Probearbeiten zu Franz Kafkas «Der Prozess». Bild: Theater St.Gallen
Unter dem Titel «Selig sind die Holzköpfe!» präsentiert das Theater St.Gallen die letzte Regiearbeit des scheidenden Schauspieldirektors Jonas Knecht. Die Séance handelt von der sagenumwobenen Künstlerin Paula Roth. Am 1. April um 19 Uhr findet die Uraufführung statt.

Um die Thurgauer Künstlerin, Heilerin und Wirtin Paula Roth ranken sich viele Geschichten. Nachdem die „Hexe vom Albulatal“ 1988 in ihrem Restaurant Bellaluna ermordet worden war, wurde sie endgültig zur Legende. Unter dem Titel Selig sind die Holzköpfe! widmet das Theater St.Gallen der aussergewöhnlichen Frau einen Theaterabend.

Schwierige Stellung einer Aussenseiterin

Die Auseinandersetzung mit Paula Roth markiert einen folgerichtigen Abschluss von Jonas Knechts Tätigkeit am Theater St.Gallen. Es war von Anfang an sein Anliegen als Schauspieldirektor, auf der Bühne auch Menschen und ihre Geschichten aus der Region zu zeigen und auf ihren Spuren Themen wie Heimat und Identifikation nachzugehen.

So sehr aber das Leben von Paula Roth mit der Natur, der Landschaft und den Menschen in der Ostschweiz verknüpft ist, so sehr ist der Stoff mit seinen Fragestellungen auch von universellem Interesse: Was war das für ein Refugium, das sich Paula Roth erschaffen hat? Ein Gegenentwurf zum etablierten Gesellschaftssystem, das sie umgab? Eine Parallelgesellschaft in den Bergen?

Welche Optionen haben Menschen, Gruppen oder ganze Staaten, die keinen Zutritt zu einer Gemeinschaft ihresgleichen haben – oder diesen vielleicht gar nicht haben wollen? Wie weit reicht die gegenseitige Solidarität – grundsätzlich und gerade auch in Krisenzeiten?

Aussergewöhnliches Leben mit tragischem Ende

Paula Roth km 1918 in Güttingen am Bodensee zur Welt. Sie hatte ein überaus bewegtes Leben, vor allem eine unglückliche Ehe warf sie in eine tiefe Krise. Sie wurde krank, litt zudem an einer Zitterlähmung und fasste nach fünf Jahren den Entschluss, sich von ihrem Mann zu trennen. Die beiden Kinder wurden ihm zugesprochen, was zeitlebens zu einer sehr schwierigen Beziehung der Mutter zu ihren Kindern führte.

Aber Paula Roth kämpfte sich weiter durchs Leben, arbeitete als Schneiderin, Haushälterin und Kellnerin. 1962 entdeckte sie das heruntergekommene, leerstehende Gasthaus Bellaluna im Albulatal. Sie pachtete und renovierte das abgelegene Haus und kaufte es wenige Jahre später. Als Wirtin, Künstlerin und Naturheilerin erwarb sie sich bald einen Namen als schillernde Aussenseiterin. 1988 wurde sie in ihrem Wirtshaus von drei Männern überfallen und mit mehreren Messerstichen getötet.

Vorführung ohne die Hauptfigur

Für das Theater St.Gallen ist es ein Glücksfall, dass für dieses Projekt als Hauptautorin Katja Brunner gewonnen werden konnte. Die junge, bereits sehr erfolgreiche Schweizer Dramatikerin näherte sich Paula Roth sehr assoziativ an. Weitere Texte haben Anja Horst, Ariane von Graffenried und Martin Bieri beigesteuert. Im Variantenreichtum der Texte spiegelt sich auch die Vielschichtigkeit der Persönlichkeit Paula Roth.

Doch das Stück mit dem Untertitel «Eine musiktheatralische Séance» erzählt nicht linear ihre Geschichte nach. «Wir haben nicht den Anspruch, ein vollständiges Bild von Paula Roth zu zeichnen. Eine Séance ist ja eigentlich eine Geisterbeschwörung. Wir wollen versuchen, gewisse Aspekte von Paula greifbar, spürbar zu machen, Bilder dafür zu finden. Wir werden Paula nicht als Figur darstellen», sagt Jonas Knecht.

Stattdessen sucht die Inszenierung nach Ritualen tänzerischer Natur, die es ermöglichen, Menschen, aber auch Tiere darzustellen, die in Paula Roths Leben von grosser Bedeutung waren. Über diese Bewegungen, Musik und Bilder soll die aussergewöhnliche Frau wieder lebendig werden. Die Choreografie von Marcel Leemann und die Live-Musik von Anna Trauffer und Andi Peter spielen dementsprechend eine sehr wichtige Rolle.

Ein starker Holzkopf

Jonas Knecht ist vor allem von der Stärke und Eigenständigkeit von Paula Roth fasziniert. «Sie ist durch alle gesellschaftlichen Maschen gefallen, schaffte sich dort im Albulatal eine Art Parallelwelt, in der sie nach eigenen Vorstellungen regierte. Sie war eine ganz starke Person, ist immer wieder auf die Beine gekommen, hat sich behauptet gegen alle Widrigkeiten», sagt er.

Die Eigenwilligkeit, aber auch Verschmitztheit von Paula Roth wird auch illustriert durch den Titel des Stücks. Auf einen selbst geschnitzten Holzkopf, eine Art Selbstbildnis, setzte sie die Inschrift: «Selig sind die Holzköpfe, denn sie ertrinken nicht.»

Vorstellungen

  • Samstag, 1. April 2023, 19 Uhr (Premiere)
  • Sonntag, 2. April 2023, 17 Uhr
  • Mittwoch, 5. April 2023, 19.30 Uhr
  • Donnerstag, 13. April 2023, 19.30 Uhr
  • Freitag, 14. April 2023, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 16. April 2023, 14 Uhr
  • Sonntag, 16. April 2023, 19 Uhr
  • Montag, 17. April 2023, 19.30 Uhr
  • Dienstag, 9. Mai 2023, 19.30 Uhr
  • Mittwoch, 10. Mai 2023, 19.30 Uh
  • Donnerstag, 11. Mai 2023, 19.30 Uhr

Selig sind die Holzköpfe!

Eine musiktheatralische Séance um Paula Roth von Katja Brunner, Anja Horst, Ariane von Graffenried, Martin Bieri und Jonas Knecht

  • Inszenierung: Jonas Knecht
  • Bühne: Michael Köpke
  • Kostüm: Sabine Blickenstorfer
  • Licht: Andres Volk
  • Live-Musik: Anna Trauffer, Andi Peter
  • Choreografie: Marcel Leemann
  • Dramaturgie: Anja Horst
  • Regieassistenz: Sina Wider
  • Spiel: Anna Blumer, Tabea Buser, Birgit Bücker, Pascale Pfeuti, Anja Tobler, Tobias Graupner, Julius Schröder

 

sir/pd
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