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Stadt St.Gallen
05.12.2022
07.12.2022 09:50 Uhr

Deutsches PR-Büro macht Stimmung gegen Stibi

Milo Rau
Milo Rau Bild: Keytone
Der Kampf um die ägyptische Mumie Schepenese bzw. ihren Verbleib in der Stiftsbibliothek St.Gallen wird mit harten Bandagen geführt. Die Befürworter einer Rückführung nach Ägypten um Milo Rau haben ein auf «Kulturkampf» spezialisiertes deutsches PR-Büro engagiert.

«PIETÄTLOSE HABGIER» – PROTEST GEGEN GRABRAUB»: In Grossbuchstaben macht eine Medienmitteilung Stimmung gegen den Verbleib von Schepenese in der St.Galler Stiftsbibliothek.

«In Offenen Briefen aus Ägypten und der Schweiz fordern über 1000 Ägyptolog*innen, Wissenschaftler*innen, Menschenrechtler*innen, Politiker*innen sowie Menschen der Zivilgesellschaft die würdige Aufbewahrung und spätere Restitution der in der St.Galler Stiftsbibliothek ausgestellten Mumie Schepenese», ist da etwa zu lesen.

Oder: «Der “Fall Schepenese” stellt grundsätzliche Fragen an unsere Gesellschaft: Wie soll mit menschlichen Überresten aus „Raubgrabungen“ umgegangen werden? Ist es vertretbar, eine zur Kolonialzeit einer fremden Kultur geraubte Leiche gegen Geld als “Gruseleffekt” auszustellen? Und vor allem: Wie kann aus der internationalen Debatte etwas Gutes entstehen, ein Präzendenzfall für eine respektvolle kulturelle Zusammenarbeit? Wie kann der “Fall Schepense” ein Fenster öffnen für eine globale Erinnerungskultur jenseits von vergangener und aktueller Ausbeutung und Diktatur?»

Die Mail gipfelt in der Forderung: «Solidarität mit den Toten! Solidarität mit der ägyptischen Forschungs- und Zivilgesellschaft! Für Menschenrechte und Demokratie, gegen Ausbeutung und Diktatur! Lasst Schepenese heimkehren!»

Auffällig ist nicht nur der harsche Tonfall, sondern auch der Absender der Mitteilung, die Sie hier in voller Länge lesen können: Es ist das Büro AugustinPR aus Berlin, das hier so engagiert auftritt.

Kein Wunder: Auf seiner Webseite wirbt Inhaber Yven Augustin explizit damit, «Kunden wie Milo Rau» zu verteten.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der deutsche PR-Fachmann in der Sache engagiert: Schon Ende November verschickte Yven Augustin eine Meldung, dass «heute Abend im St. Galler Stadtparlament eine Interpellation eingereicht wurde. Dabei wird gefragt: Wie positioniert sich der Stadtrat zur "St. Galler Erklärung für Schepenese“ sowie zum Ort, als auch der Art der Präsentation der Mumie? Und inwiefern kann sich die Stadt vorstellen, federführend bei der Einsetzung einer Arbeitsgruppe zu sein, die die Rückführung von Schepenese prüft?»

Nachlesen können Sie die Melding hier, unterzeichnet ist sie von «Yven Augustin, PR-Manager Milo Rau».

Lasst Schepenese in Ruhe

Dass Milo Rau eine Rückgabe der Mumie aus der Stiftsbibliothek nach Ägypten fordert, ist legitim, auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass Schepenese nach St.Gallen gehört. Dass der Künstler für seinen Kampf alle Register zieht, ebenso – er kann mit seinem Geld und seiner Zeit machen, was er will.

Ein Gschmäckle bleibt aber dennoch: Wer extra eine PR-Agentur für sein Anliegen engagiert, ist auf maximale Wirkung bedacht. Dass diese Agentur dann noch aus Deutschland kommt, macht die Sache nicht besser – wollte sich kein St.Galler Büro für den Fall einspannen lassen? Oder geht es Milo Rau einfach um grösstmögliche Aufmerksamkeit für seine Person?

Das ist ihm auf jeden Fall gelungen, Medien aus der ganzen Schweiz haben die Causa aufgegriffen.

Grundlos, wie ich finde: Bis dato hatte noch nie jemand aus Ägypten die Rückgabe gefordert – und längst nicht alle Ägyptologen sind für eine Rückgabe. Im Gegenteil, Schepenese wurde auch schon als «grossartige Botschafterin ihres Landes» bezeichnet.

Salima Ikram, Archäologin und Professorin für Ägyptologie an der «American University in Cairo» etwa findet: «Es ist besser, wenn diese Mumie in der Schweiz bleibt. Da dient sie Ägypten als grossartige Botschafterin. Kinder und Erwachsene können etwas über die altägyptische Kultur lernen und sind angeregt, später das Land zu besuchen. Hier in Ägypten haben wir schon sehr, sehr viele Mumien.»

Doch Rau und seiner PR-Agentur, sekundiert von wohlmeinenden, woken Stadtparlamentariern, ist es gelungen, die Mumie auf die Agenda zu setzen.

Meine Meinung: Lasst Schepenese in Ruhe, und zwar in St.Gallen. Hier hat sie schon vor langer Zeit einen würdigen Ort gefunden. Unwürdig ist vor allem das Theater, das nun um sie veranstaltet wird. Und bei dem man den Verdacht nicht los wird, es gehe weniger um die Hauptdarstellerin, sondern vielmehr um den Regisseur.

Stephan Ziegler, stgallen24

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