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Wirtschaft
19.06.2022

Ausbilden statt abwerben

Bild: Starrag AG
Die Starrag AG aus Rorschacherberg produziert seit über 100 Jahren Werkzeugmaschinen – heute zum hochpräzisen CNC-Fräsen, -Drehen, -Bohren und -Schleifen von Werkstücken aus Metall, Verbundwerkstoffen und Keramik. Sie ist, wie die gesamte MEM-Branche, auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. CEO Christian Walti geht gegen den Fachkräftemangel unter anderem mit einem eigenen Ausbildungszentrum vor.

Christian Walti, wie geht es der Starrag nach über zwei Jahren Pandemie?
Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und stehen unter den gegebenen Umständen gut da: 2021 konnten wir die Ertragssituation dauerhaft verbessern. Starrag senkte die operativen und personellen Kosten erheblich und konnte den Auftragseingang in 2021 verdoppeln, während der Umsatz annähernd gehalten wurde. Mittlerweile hat sich in Europa und Nordamerika die Pandemiesituation normalisiert, nur in China bestehen weiterhin Reisebeschränkungen. Mit einer starken lokalen Mannschaft konnten wir aber auch dort in der Pandemie Projekte weitestgehend abwickeln. Insgesamt stellen wir in allen Regionen eine deutliche Belebung des Geschäfts fest und sehen neuem Wachstumspotenzial entgegen.

Schon seit langem ist von Fachkräftemangel die Rede. Wie nehmen Sie die Entwicklung in der MEM-Branche wahr?
Die Branche leidet in der Tat bereits seit Jahren unter ständig wachsendem Fachkräftemangel.

Inwiefern ist die Starrag selbst betroffen?
Starrag hat eine lange Berufsbildungstradition und bildet Fachkräfte weitgehend selber aus. Zudem sind Produkte und Arbeitsumfeld für Fachkräfte bei Starrag attraktiv, was die Akquisition erleichtert. Aktuell bilden wir 25 Lernende in sieben Berufen allein am Hauptsitz aus: Eine beachtliche Quote bei aktuell 200 Mitarbeitern in Rorschacherberg! Ein Drittel unserer aktuellen Belegschaft stammt übrigens aus der eigenen Berufsbildung.

«Junge Fachkräfte sind schon anspruchsvoller geworden.»

Das ist tatsächlich eine hohe Quote. Welches Risiko birgt der Fachkräftemangel für Firmen und Personalleiter?
Firmen, die technologisch führende Produkte anbieten, wie wir es tun, sind auf Fachkräfte angewiesen. Für Entwicklung, Herstellung und Vertrieb sind sie unerlässlich. Somit sind die Fachkräfte für die Zukunftssicherung einer Firma Voraussetzung – also auch für uns.

Und was tut die Starrag, um diesen Negativtrend entgegenzuwirken?
Als wichtige Investition in die Zukunft sehe ich das Erweitern der Ausbildungskompetenz: So haben wir die Kapazität des Ausbildungszentrums am Standort Rorschacherberg verdoppelt und zusätzliches Ausbildungspersonal eingestellt. Starrag schafft so optimierte Schulungsbedingungen nicht nur für eigene Mitarbeiter, sondern auch für andere Unternehmen der Region. Alles in allem baut Starrag aktuell in Ergänzung zu den externen Bildungszentren in St.Gallen und Heerbrugg ein breites Ausbildungsportfolio auf, kann heute bereits wegweisende Ausbildungsmodule für alle MEM-Berufe anbieten und richtet das eigene Ausbildungszentrum Schritt für Schritt an der Berufsbildungsreform der MEM-Branche aus.

Würden Sie sagen, dass Arbeitnehmer anspruchsvoller geworden sind?
Ja, junge Fachkräfte sind schon anspruchsvoller geworden. Sie erwarten viel vom Arbeitgeber, sind aber gleichzeitig sehr gut ausgebildet und motiviert, einen grossen Beitrag zum Erfolg zu leisten und hohes Engagement zu zeigen. Zudem haben sich die Ansprüche generell verändert: Die Arbeitnehmer erwarten nicht nur ein angemessenes Gehalt, sondern wollen von ihren Aufgaben begeistert werden. Wir können sie als Arbeitgeber aber nur dann begeistern, wenn wir weiche Faktoren berücksichtigen. Wir achten daher schon bei der Ausbildung darauf, dass wir den Auszubildenden Werte wie Vertrauen, Teamgeist, Fairness, Stolz und Respekt vermitteln. Und wenn man das als Firma auch noch vorlebt, fällt es einem leichter, Fachkräfte und Lernende zu gewinnen.

Was ist zielbringender: Fachkräfte aus anderen Teilen der Schweiz oder dem Ausland zu rekrutieren?
Auch Starrag kommt nicht ohne Fachkräfte aus dem Ausland oder anderen Teilen der Schweiz aus: Doch es hat sich bewährt, zunächst in der Region nach Arbeitskräften zu suchen und sie dann in eigner Regie aus- oder weiterzubilden.

Die meisten Ihrer Fachkräfte stammen also aus der Region?
Ja. Doch wollen wir als Arbeitgeber so attraktiv sein, dass wir noch mehr Fachkräfte auch aus anderen Regionen anziehen können! Mit Standort nahe der Landesgrenze heisst Region auch Einbezug von Grenzgängern. Der Konkurrenzkampf unter den Regionen ist besonders in der Bodensee-Region mit ihrer hohen Dichte an Hightech-Unternehmen aber hoch.

Besteht die Gefahr, dass Produktionen wegen dem Fachkräftemangel ins Ausland verlagert werden?
Dieses Risiko lässt sich nie ganz ausschliessen, doch wir wirken dem mit unserer Ausbildungsinitiative bisher erfolgreich entgegen. Hinzu kommt: Die anderen Länder in Mitteleuropa leiden genauso wie die Schweiz unter Fachkräftemangel.

Müsste die Politik aktiv werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken?
Die Schweiz befindet sich meines Erachtens auf dem richtigen Weg, indem sie mit der derzeit laufenden Berufsbildungsreform der MEM-Branche viele Berufe attraktiver macht. Wir folgen diesem Weg und schaffen die notwendige Struktur für die Reform, die in zwei Jahren greifen soll.

Dieser Text ist aus der LEADER Ausgabe Mai 2022. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch und rheintal24.ch.

Miryam Koc
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