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Stadt St.Gallen
01.06.2022
01.06.2022 09:08 Uhr

Vier-Tage-Woche: «Die Mitarbeiter sind viel motivierter»

100 Prozent Lohn für 80 Prozent Arbeit: Das geht bei Amici Hair Design
100 Prozent Lohn für 80 Prozent Arbeit: Das geht bei Amici Hair Design Bild: mik
An den St.Galler Standorten des Coiffeurs Amici Hair Design arbeiten Angestellte in einem Vier-Tages-Modell – und das bei vollem Lohn. Nach mehreren Monaten zieht die Coiffeur-Kette Bilanz und plant bereits den Ausbau weiterer Stellen.

«Als ich die Stellenanzeige gelesen habe, da habe ich mich nur gefragt, wo der Haken ist», sagt Nina Sarisin. Die 21-Jährige arbeitet seit April im Vier-Tages-Modell bei Amici Hair Design an der St.Georgen-Strasse in St.Gallen. «Es gibt aber keinen Haken. Es ist wirklich so, dass man vier Tage arbeitet und dafür den vollen Lohn kriegt.»

Im Februar 2022 hat das Coiffeurgeschäft, zu dem auch Adesso Hair Design gehört, als erster Coiffeur in der Schweiz das ungewöhnliche Arbeitsmodell in all seinen Filialen eingeführt und sorgte damit sogar in Deutschland für Schlagzeilen. «Unser oberstes Ziel war es, neue und gut ausgebildete Mitarbeiter zu akquirieren. Dass wir so viele Bewerbungen erhalten werden, hätten wir aber nicht gedacht. Uns liegt es sehr am Herzen, dass wir unseren Mitarbeitern eine bessere Work-Life-Blance anbieten und den Beruf attraktiver machen», sagt HR-Manager Carmine Graziano. Aus einer 43- wird eine 34,4-Stunden-Woche.

 

Nina Sarisin (21) arbeitet im Vier-Tages-Modell Bild: mik

Neue Energie dank mehr Freizeit

Negativ auf den Umsatz wirke sich das nicht aus, wie Graziano erklärt: «Erfahrungsgemäss hat eine Coiffeuse circa 20 bis 30 Prozent Leerzeiten pro Woche, was mindestens einen ganzen Arbeitstag ausmacht. Während dieser Zeit wird somit kein Umsatz generiert, aber die Anwesenheit gilt als Arbeitszeit. Das bedeutet, dass man den Umsatz effektiv in vier Arbeitstagen statt fünf erreichen kann.»

Für die Nina Sarisin heisst dies konkret, dass sie zum Erreichen des Umsatzzieles einen Tag weniger als ihre Kollegen Zeit hat. «Das ist aber kein Problem und ich schneide lieber Haare statt Nichts zu tun. Natürlich kommen die Pausen nicht zu kurz», so die 21-Jährige.

Für sie sei besonders der Ausgleich zum Privatleben der ausschlaggebende Punkt gewesen, warum sie sich auf die Stelle beworben hat. «Als Coiffeuse steckt man sehr viel Energie und Kreativität in die Kunden, was sehr schön, aber auch anstrengend ist. Um die hohe Qualität zu halten, finde ich es wichtig, dass man den nötigen Ausgleich hat. Zudem ist es eine enorme Wertschätzung, die man vom Arbeitgeber erhält.»

HR-Manager Carmine Graziano zieht nach über drei Monaten eine positive Bilanz Bild: mik

Weitere Coiffeure anregen

Derzeit arbeiten von 25 Mitarbeiter drei in diesem Modell. Sechs weitere Stellen kommen in Kürze dazu. Die Erfahrungen, die man in den letzten Monaten gesammelt hat, seien durchwegs positiv gewesen.

«Die Mitarbeiter sind viel motivierter, weil sie eben genau diesen Ausgleich haben und das wirkt sich auf das ganze Geschäft aus. Leider kommt es immer öfters vor, dass der Beruf nicht erlernt wird, weil die Löhne tief sind, der Druck zu hoch und die Freizeit zu kurz kommt. Wir hoffen, dass wir mit diesem Modell diesem Negativtrend entgegenwirken können und dass wir andere Coiffeurgeschäfte dazu motivieren, mitzuziehen. Irgendwann soll es normal werden, dass man eine Vier-Tages-Woche hat», so der HR-Manager. Neben den Lohn bleiben auch die Arbeitsbedingungen sowie Ferien gleich wie bei einer 100-Prozent-Stelle. 

Tatsächlich sind bereits einige Coiffeurgeschäfte im Raum Zürich auf den Zug aufgesprungen und testen das Modell – allerdings für eine begrenzte Zeit. Für Amici und Adesso Hair Design sei das Vier-Tages-Modell kein Pilotversuch, sondern bereits Teil der Arbeitsphilosophie. 

Miryam Koc/stgallen24
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