Die privaten Interessen der Angehörigen überwiegen gemäss den Ausführungen der Bundesrichter gegenüber den geltend gemachten Interessen des Fernsehens. Zudem seien auch die Interessen von Drittpersonen zu beachten, die in den Akten erwähnt werden oder Aussagen gemacht haben.
Der Fall Ylenia
Das fünfeinhalbjährige Mädchen Ylenia wurde 2007 in Appenzell entführt und über einen Monat später tot im Wald aufgefunden. Der mutmassliche Täter, ein 67-jähriger Mann, nahm sich wenige Stunden nach der Entführung das Leben. Seine Leiche wurde tags darauf im gleichen Waldstück gefunden.
Rechtsmedizinische und kriminaltechnische Untersuchungen ergaben, dass Ylenia keine körperliche Gewalt angetan und sie nicht sexuell missbraucht worden war. Der genaue Ort und genaue Zeitpunkt ihres Todes seien «nach so langer Zeit» nicht mehr feststellbar, teilte Bruno Fehr von der Kriminalpolizei St. Gallen mit. Die abgeschlossenen Untersuchungen vom 19. November 2007 ergaben, dass Ylenia an einer Toluol-Vergiftung gestorben war. Mehr zum Fall hier.
Kritik an der Berichterstattung
Die Kantonspolizei St.Gallen musste nach wiederholten Spekulationen der Boulevardzeitung «Blick» mehrfach Richtigstellungen publizieren. So wurde beispielsweise gemeldet, der mutmassliche Täter habe sich in Portugal aufgehalten, sei glatt rasiert gewesen und die Polizei fahnde nach einem zweiten Mann.
Der St.Galler Kripo-Chef Bruno Fehr: «Ohne Öffentlichkeitsarbeit und Medien kann die Polizei in einem Kriminalfall wie Ylenia ihre Arbeit nicht erledigen. Wenn aber Boulevardblätter wilde Spekulationen in die Welt setzen und Zeugen, die von der Polizei längst befragt und deren Aussagen als wenig glaubwürdig eingeschätzt worden sind, in den Medien eine Plattform erhalten, wird es problematisch. Solche Auftritte sorgen in der Bevölkerung bloss für Angst und Verunsicherung und tragen nichts bei zur Aufklärung des Falles.»
Die Staatsanwaltschaft St.Gallen kritisierte «Blick» ebenfalls. Es würde «die Öffentlichkeit bewusst falsch informieren». Es würden unnötig Polizeikräfte für Abklärungen gebunden und bei den Angehörigen Ylenias Hoffnungen geweckt, die keine reale Basis hätten, äusserte sich Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St.Gallen.
Auch die Mutter des vermissten Kindes und Angehörige kritisierten, dass ihnen durch diese «wilden Spekulationen» immer wieder falsche Hoffnungen gemacht worden seien.