Velofahrer haben es in der Stadt St.Gallen schwer! Die topografische Lage in einem Hochtal verlangt den Velofahrerinnen und Velofahrern bei Fahrten in die höher gelegenen Quartiere einiges an Kondition und Muskelkraft ab. Es ist somit wenig verwunderlich, wenn in unserer Stadt der Anteil des Veloverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen im Jahr 2015 lediglich vier Prozent betrug.
Das ist zwar ein Drittel mehr als noch 2010, verglichen mit anderen Schweizer Städten liegt der St.Galler Wert jedoch klar im Keller. Sogar Luzern weist mit 12 Prozent den 3-fachen Anteil aus. Andererseits darf festgestellt werden, dass die St.Galler im Gegensatz zum Velo beim Fussgängeranteil einen Spitzenplatz einnehmen. Als Stadt der kurzen Wege bietet sich das zu Fuss gehen bei uns oft als die optimale Fortbewegungsmöglichkeit an.
Bremsen weitere Massnahmen den MIV?
Das Anliegen, den Veloverkehr in der Stadt St.Gallen zu fördern, stösst in unserer Fraktion im Grundsatz auf offene Ohren. So haben wir in der Vergangenheit auch grössere Bauvorhaben wie der Verbreiterung des Fuss- und Veloweges auf dem Sitterviadukt oder der neuen Passerelle mit Velorampe beim Oberstockenweg zugestimmt. Viele neue Projekte befinden sich bereits in der Pipeline – alleine bis 2025 sind das Bauprojekte in der Höhe von über CHF 17 Mio. Es tut sich also einiges im Tiefbauamt und die Initianten stossen mit ihrer Initiative bereits offene Türen auf.
Das Mobilitätskonzept 2040 hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 den Anteil des Veloverkehrs auf sechs Prozent zu erhöhen. Dieses Ziel, oder auch ein Wert von 7 oder 8 Prozent, erscheint uns mit grossen Anstrengungen erreichbar zu sein – ein Wert von 15 Prozent, wie er in der Initiative gefordert wird, muss aber klar als unrealistisch beurteilt werden. Auch fragen wir uns, welche Massnahmen erforderlich sein werden, wenn der Wert von 15 Prozent in zehn Jahren nicht erreicht werden sollte (und davon ist auszugehen).
Soll dann mir repressiven Massnahmen der motorisierte Individualverkehr (MIV) weiter gebremst werden? Oder wie soll vorgegangen werden, wenn sich der Wert des Veloverkehrs primär zulasten des ÖV und des Fussgängerverkehrs erhöht? Das wäre eine Entwicklung, welche kaum im Sinne der Initianten sein dürfte.
15 Millionen nicht notwendig
Unsere Fraktion wird sich auch in Zukunft für alle Verkehrsträger einsetzen. Das Reglement für eine nachhaltige Verkehrsentwicklung verlangt, dass ein Wachstum des Verkehrsaufkommens nur mittels ÖV, Velo- und Fussverkehr erfolgen soll. Von einer massgeblichen Schwächung des MIV ist darin aber keine Rede. Wir wehren uns dagegen, dass einzelne Verkehrsträger gegeneinander ausgespielt werden.
Auch erachten wir im Grundsatz den Rahmenkredit in der Höhe von CHF Mio. 15 als nicht notwendig. Wir erinnern uns noch gut an die Debatte in diesem Rat über den Rahmenkredit für die Strassensanierungen der Legislaturperiode 2021-2024 im vergangenen Jahr. Hier wurde von linksgrüner Seite moniert, dass auch kleine Strassenprojekte relevant sind und in diesem Rat behandelt werden sollten. Bei den Massnahmen für die Förderung des Veloverkehrs soll das nun plötzlich nicht mehr der Fall sein.
So könnten mit diesem Kredit auch grössere Projekte ohne die Genehmigung durch diesen Rat einfach realisiert werden. Wir wehren uns nicht im Grundsatz gegen diese Investitionen – wir wollen aber sicherstellen, dass die Steuergelder auch für Projekte eingesetzt werden, welche tatsächlich zu einer Verbesserung für den Veloverkehr führen und deren Kosten entsprechend verhältnismässig sind. Ziel der Investitionen soll sein, dass möglichst viele Verkehrsteilnehmer auf das Velo umsteigen.
Das Volk hat die Wahl
Wir erwarten zumindest eine Diskussion innerhalb der Liegenschaften- und Baukommission (LBK) über diejenigen Projekte, welche über einen Rahmenkredit finanziert werden sollen. Für einige Fraktionsmitglieder ist auch eine Erhöhung der Stellenprozente bei drei Dienststellen um total 150 Prozent nicht nachvollziehbar. So hatte noch die Vorgängerin des heutigen Vorstehers der Direktion Planung und Bau dargelegt, dass eine Erhöhung der Stellenprozente bzw. des Budgets keine signifikante Auswirkung auf das Realisierungstempo haben würden, da dieses massgeblich durch Rechtsstreitigkeiten und Ressourcenprobleme beim Kanton geprägt sei. Nur fünf Monate nach der letzten Budgetdebatte ist der Stadtrat plötzlich anderer Meinung – das erstaunt.
Die Fraktion der FDP und Jungfreisinnigen lehnte die Initiative in der Parlamentssitzung aufgrund der Festlegung eines minimalen Verkehrsanteiles des Veloverkehrs von 15 Prozent ab. Eine Mehrheit der FDP/JF-Fraktion bekannte sich aber für die Förderung des Veloverkehrs und stimmte dem Gegenvorschlag des Stadtrates zu. Die Mehrheit des Parlamentes hat dies gleich wie die FDP/JF-Fraktion gesehen. Somit wurde die Initiative im Parlament abgelehnt und der Gegenvorschlag angenommen. Nun hat das Volk die Wahl.