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Stadt St.Gallen
05.05.2021
05.05.2021 11:26 Uhr

Studenten wollen in die Uni – Dozenten nicht

Auf dem Campus der HSG ist nicht viel los
Auf dem Campus der HSG ist nicht viel los Bild: Matilda Good
Viele Studenten haben die Zoom-Vorlesungen satt und wollen lieber zurück an die Uni. Doch obwohl dies eigentlich wieder erlaubt ist, verzichten viele HSG-Dozenten darauf.

Lernen in der Bibliothek, ein Schwatz in der Mensa und draussen eine Zigarette mit den Kommilitonen rauchen – das war einmal. Die Realität für viele St.Galler Studenten sieht seit der Pandemie anders aus: Vorlesungen, Gruppenarbeiten und Prüfungsvorbereitungen finden online statt. Die Studenten verbringen mehrere Stunden pro Tag mit Zoom, Skype und Co. 

Zwar erlaubt der Bundesrat seit April wieder Präsenzunterricht mit maximal 50 Personen bzw. maximal einem Drittel der Raumkapazität, aber viele Unis setzen trotzdem weiterhin auf Online-Unterricht. 

Studenten sehnen sich nach Normalität

Dies macht einigen Studenten zu schaffen: «Eigentlich freut man sich ja auch beim Studieren darauf, Leute kennenzulernen und sich auszutauschen. Ich sitze aber den ganzen Tag vor dem Laptop und verkümmere langsam. Zuletzt war ich im September am Campus – und das nur für die Prüfungen», sagt ein Master-Student zu stgallen24. Er könne nicht nachvollziehen, warum viele Dozenten auf den Präsenzunterricht verzichten. «Es wirkt so, als sei es für sie bequemer zu Hause.»

Auch die Studentenschaft, die an der HSG Studenten vertritt, äusserte gegenüber der Universität mehrfach den Wunsch nach Präsenzunterricht. Jérémie Bonifay ist Assessmentstudent und seit September 2020 an der HSG immatrikuliert – ein «normales» Studentenleben kennt er also gar nicht. «Natürlich wünschen sich – mit wenigen Ausnahmen – die meisten das Studienleben, wie sie es vorhin kannten, zurück. Es ist nicht dasselbe, zuhause in den eigenen vier Wänden zu lernen oder die Möglichkeit zu haben, in den Pausen mit Freunden zu sprechen oder neue Mitstudierende kennenzulernen. Diese Vorfreude müssen wir uns jedoch wohl noch bis September aufsparen.»

Gruppentreffen sind seit der Pandemie eher eine Ausnahme in Unis. Bild: zVg

Zu bequeme Dozenten?

Auch in Bonifays Kursen verzichten fast alle Dozenten auf den Präsenzunterricht. «In einigen Fällen wurden wir jedoch nach unserem Interessen gefragt, ob wir Präsenzunterricht haben möchten. Aber viele Vorlesung sprengen den Rahmen der 50 Personen, und der organisatorische Aufwand wäre wohl zu hoch. Doch auch kleinere Kurse wie Übungen finden nach eigener Erfahrung weiterhin online statt.»

Dass Aussagen wie jene, dass Dozenten zu bequem geworden seien, kursieren, könne der Student zwar nachvollziehen, aber nicht unterschreiben.  «Vielleicht spielt die Bequemlichkeit eine kleine Rolle. Aber ich glaube, dass es eher am organisatorischen Aufwand liegt. Für die wenigen verbleibenden Vorlesungen alles umzustellen, ergibt wenig Sinn. Und eine hybride Abhaltung der Kurse stellt sich doch als schwieriger dar, als man es im ersten Moment vermuten würde.»

Bild: Matilda Good

50 Dozenten setzen auf Präsenzunterricht

Und was sagt die Uni St.Gallen zu den Vorwürfen? «Für die Dozenten war die Umstellung bzw. der Online-Unterricht mit einem enorm hohen Aufwand verbunden, da die Unterrichtskonzepte, die Methodik und die Didaktik, aber auch die Prüfungen teilweise grundlegend überarbeitet oder gar gänzlich neu erarbeitet werden mussten. Zahlreiche Unterrichtsmaterialien mussten an die veränderten Bedingungen angepasst oder neu entwickelt werden. Die Kurse sind nun entsprechend erarbeitet – auch daher erklärt sich, dass in vielen Fällen ein Verbleib beim Online-Unterricht für die letzten Semesterwochen die naheliegendere Wahl ist», so der stellvertretende Kommunikationsleiter Jürg Roggenbauch zu stgallen24.

Alle Dozenten hätten geprüft, ob eine Rückkehr zum Präsenzunterricht in ihren Kursen in sinnvoller Weise machbar sei. Wo dies der Fall war, erfolgte diese Umstellung per 26. April. Dies betreffe circa 50 Dozenten.

Studenten und Dozenten im Ausland

«In den übrigen Fällen war ein Verbleib beim Online-Setting im Dienste einer optimalen Lehre die bessere Wahl, zumal es um lediglich noch vier Semesterwochen mit physischer Präsenz ging. Wir hoffen sehr, dass im Herbstsemester Präsenzlehre wieder umfassend und von Anfang an möglich sein wird», so Roggenbauch.

Das Rektorat entscheide über die Wiedereinführung des Präsenzunterrichts, ebenso wie das Rektorat den Einstellungsentscheid beschlossen habe. Beides erfolgt jeweils auf der Basis der jüngsten behördlichen Anordnungen.

«Während das Rektorat die Rückkehr zum Präsenzunterricht ausdrücklich begrüsst, wäre das Durchsetzen von Präsenzunterricht aus den beschriebenen Gründen in vielen Fällen entweder nicht sinnvoll oder gar nicht erst möglich gewesen – etwa wenn sich Dozierende und Studierende im Ausland befinden und nicht anreisen können.»

 

 

Auch viele OST-Studenten wünschen sich eine Rückkehr an die Fachhochschule. Bild: pd

Mehr Aufwand zuhause

Die Ostschweizer Fachhochschule OST hat seit Beginn der Pandemie mehrere Umfragen bei den Studenten durchgeführt, um zu sehen, wie sie die coronabedingten Herausforderungen meistern. «Viele – aber nicht alle – wünschen sich wieder Präsenzunterricht. Das ist auch verständlich. 27 Prozent gaben zum Beispiel an, dass sie zwischen fünf bis fünfzehn Stunden mehr pro Semester arbeiten als in gewöhnlichen Zeiten. Das hört sich zunächst nach nicht so viel an, aber wenn man bedenkt, dass die Stundenpläne straff sind, dann machen ein paar Stunden mehr viel aus», sagt OST-Mediensprecher Willi Meissner zu stgallen24.

Ausnahmen für praxisnahe Studiengänge

Doch die Studenten müssen sich noch eine Weile gedulden, bis sie wieder täglich in den Hörsälen Platz nehmen können. Die Fachhochschule hat bereits vor den neuesten Bundesrat-Lockerungen beschlossen, dass bis Ende Semester die Online-Vorlesungen durchgezogen werden, um den Studenten Planungssicherheit zu geben.  «Bei praktisch allen Studiengängen gibt es Ausnahmen für Präsenzunterricht – seien es Labore, Skills-Räume, Coachingsituationen, Rollenspiele –, denn diese sind wichtig für die praxisnahe Ausbildung.»

Anders als an der HSG können die Studiengänge einen Antrag auf Präsenzunterricht stellen. «Dieser wird dann vom Krisenstab beurteilt und unter den erforderlichen Massnahmen freigegeben», so Meissner.

Der organisatorische Aufwand für Fernunterricht war vor allem zu Beginn auch bei den Dozenten sehr hoch. «Wir haben mehrere Tausend Studierende. Alles online zu organisieren, war ein enormer Aufwand.» Die kommenden Prüfungen sowie Teile der Prüfungsvorbereitung werden in Präsenz geplant. «Alles andere hängt von künftigen Lockerungen ab», sagt Mediensprecher Meissner.

Miryam Koc
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