Eigentlich sind es nur fünf Minuten Fussweg von der Bushaltestelle bis zur Wohnung von Mira.* Doch die 23-jährige St.Gallerin läuft den Weg nur ungerne alleine – besonders in der Nacht geht ihr Kopfkino an. Was ist, wenn er wieder da steht? Was ist, wenn er mich fester anpackt? Und was ist, wenn ich mich nicht befreien kann? Die Fragen schiessen ihr durch den Kopf – und eine Panikattacke macht sich breit.
«Ein- und Ausatmen. Ein- und Ausatmen», erinnert sie sich an die Stimme ihrer Psychotherapeutin. Vor knapp einem Jahr wurde Mira auf dem Nachhauseweg von einem Mann verfolgt und begrabscht. Der jungen Frau gelang es, sich loszureissen und wegzurennen. Der Mann konnte nie ausfindig gemacht werden. Die Angst in ihr blieb.
Sexismus hat viele Gesichter
Miras Geschichte ist kein Einzelfall. Viele Frauen auf der ganzen Welt, aber auch in der idyllischen Ostschweiz mussten bereits Erfahrungen mit sexueller Gewalt oder Belästigung machen. stgallen24 hat zehn Frauen aus der Region gefragt, ob sie davon berichten möchten. Das traurige Fazit: Alle hatten mindestens eine Geschichte aus dem Stegreif zu erzählen. Ziel dieser Beitragsserie ist es, sexuelle Belästigung sichtbarer zu machen und zu zeigen, in wie vielen Formen und wie häufig sexuelle Belästigung im Alltag der Frauen auftauchen kann.
*Alle Namen wurden zum Schutz und auf Wunsch der Frauen geändert.