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Stadt St.Gallen
28.04.2021
28.04.2021 09:59 Uhr

«Nachts verstecke ich meine langen Haare»

Bild: pexels/symbol
Viele Frauen haben bereits in jungen Jahren Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht, die sie besonders nachts fürchten lässt. Zehn St.Gallerinnen haben uns ihre Geschichten erzählt.

Eigentlich sind es nur fünf Minuten Fussweg von der Bushaltestelle bis zur Wohnung von Mira.* Doch die 23-jährige St.Gallerin läuft den Weg nur ungerne alleine – besonders in der Nacht geht ihr Kopfkino an. Was ist, wenn er wieder da steht? Was ist, wenn er mich fester anpackt? Und was ist, wenn ich mich nicht befreien kann? Die Fragen schiessen ihr durch den Kopf – und eine Panikattacke macht sich breit.

«Ein- und Ausatmen. Ein- und Ausatmen», erinnert sie sich an die Stimme ihrer Psychotherapeutin. Vor knapp einem Jahr wurde Mira auf dem Nachhauseweg von einem Mann verfolgt und begrabscht. Der jungen Frau gelang es, sich loszureissen und wegzurennen. Der Mann konnte nie ausfindig gemacht werden. Die Angst in ihr blieb.

Sexismus hat viele Gesichter

Miras Geschichte ist kein Einzelfall. Viele Frauen auf der ganzen Welt, aber auch in der idyllischen Ostschweiz mussten bereits Erfahrungen mit sexueller Gewalt oder Belästigung machen. stgallen24 hat zehn Frauen aus der Region gefragt, ob sie davon berichten möchten. Das traurige Fazit: Alle hatten mindestens eine Geschichte aus dem Stegreif zu erzählen. Ziel dieser Beitragsserie ist es, sexuelle Belästigung sichtbarer zu machen und zu zeigen, in wie vielen Formen und wie häufig sexuelle Belästigung im Alltag der Frauen auftauchen kann.

*Alle Namen wurden zum Schutz und auf Wunsch der Frauen geändert.

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Pfefferspray, Fake-Anrufe und Schlüssel in der Hand

Unter dem Hashtag «Text me when you're home» finden sich auch auf den sozialen Medien Tausende ähnliche Geschichten von Frauen. Auch die befragten Ostschweizerinnen kennen die SMS «Schreib mir, wenn du zu Hause bist» nur zu gut. Nach fast jedem Ausgang wird diese entweder verschickt oder erhalten. «Ich möchte einfach wissen, ob meine Freundin gut angekommen ist. Erst dann kann ich beruhigt schlafen», sagt Janine.

«Ich verstecke meine langen Haare unter der Jacke und zieh mir die Kapuze über. Getarnt als Mann ist man nachts sicherer.»

«In unserem Freundeskreis teilen wir immer den Live-Standort auf Whatsapp, so kann man sehen, wo sich gerade die einzelnen Personen befinden», sagt Kristina. Andere telefonieren wenn sie unterwegs sind. «Manchmal tu ich auch nur so, als ob ich telefonieren würde. Das gibt mir irgendwie ein sicheres Gefühl und könnte Angreifer abschrecken», so die 19-jährige Larissa. Und Debora erzählt: «Ich verstecke meine langen Haare unter der Jacke und zieh mir die Kapuze über. Getarnt als Mann ist man nachts sicherer».

«Ohne Pfefferspray geht bei mir gar nichts. Ich hab den nachts immer griffbereit. Manchmal mache ich auch den Schlüssel zwischen meine Hände. Damit kann man sich auch wehren», so die St.Gallerin Lea. Fast alle der Frauen gaben an, dass sie nachts besonders aufmerksam unterwegs sind und grundsätzlich keine Kopfhörer auf haben. «Ich möchte einfach wachsam sein und so schnell wie möglich heil ankommen. Es ist schon verrückt, dass wir Frauen eine solche Angst haben müssen», so Laura.

Demnächst bei stgallen24:

  • Viele Fälle von sexueller Belästigung werden bei der Polizei nicht gemeldet. Was hält die Frauen davon ab? 
  • Wie können sich Frauen tatsächlich sicherer fühlen?
  • Warum die Aussage «Es sind nicht alle Männer so» problematisch ist.
Miryam Koc/Matilda Good
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