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Wirtschaft
11.04.2021
11.04.2021 11:05 Uhr

Postfinance dreht Kredithahn zu

Bild: PD
Unangenehme Post von der Post: Die Postfinance kündigt ihre KMUKredite («Zahlungsverkehrslimiten») per August 2021.

Seit 2013 verfügt die Post- Tochter zwar über eine Banklizenz, darf aber keine Kredite vergeben. Dass sie aber das Zinsgeschäft doch betrieben hat, irgendwie, wissen KMU-ler: Es gibt sogenannte «Zahlungsverkehrslimiten ». Firmen, Gemeinden und Privatinvestoren können ihr Konto damit bis zu einem bestimmen Betrag überziehen. Damit ist jetzt Schluss: Per Ende August müssen alle Kunden im Plus sein, ihre faktischen Kredite also zurückzahlen.

«Unrentables Produkt»

Diese Zahlungsverkehrslimite bis zu 100 000 Franken durfte für kurzfristige Überzüge genutzt werden. «Der Kunde verpflichtete sich, mit der Zahlungsverkehrslimite keine langfristigen Finanzierungen zu tätigen», sagt Postfinance-Sprecher Rinaldo Tibolla gegenüber dem Ostschweizer Unternehmermagazin LEADER.


Im Zuge der Neuausrichtung lege man nun vieles auf den Prüfstand. «Da das Produkt Zahlungsverkehrslimite ohne vollständiges Kreditangebot aus betriebswirtschaftlicher Sicht unrentabel ist, wollen wir dieses nicht mehr anbieten. Darum wird es per August gestrichen.» Die Massnahme betreffe nur wenige hundert Geschäftskunden. «Postfinance hat rund 250 000 KMU als Kunden. Es sind weniger als 0,5 Prozent betroffen», rechnet Tibolla vor. Postfinance verweist Kunden, die weiter mit Fremdgeld arbeiten möchten, für die Finanzierung von Investitionen oder Anlagevermögen auf ihre neue Plattform «Lend», eine Online- Kredit-Börse. «Und für öffentlich-rechtliche Körperschaften stehen Schuldscheindarlehen zur Verfügung», so Tibolla weiter. «In Härtefällen ist Postfinance bereit, mit Kunden einen individuellen Abzahlungsplan zu vereinbaren.»

 

Mit diesen Brief «beglückte» Postfinance ihre Gewerbler-Kunden. Bild: zVg

«Kolossales Scheitern der Postfinance»

Der Rausschmiss der Kreditkunden ist für Lukas Hässig von «inside-paradeplatz.ch» Beleg für ein «kolossales Scheitern der Postfinance und ihrer Verantwortlichen»: Nach der grossen Finanzkrise von 2008 hätten diese massenhaft Kunden mit tollen Zinsen geködert. «Das viele Geld auf der Bilanz haben die Finanzfürsten von Bern aber nicht in Aktien oder andere Wertpapiere mit guten Erfolgschancen investiert, sondern in mündelsichere Obligationen.» Als Anfang 2015 der Minuszins kam, stand die Post gemäss Hässig mit abgesägten Hosen da. Ihre aktiven Anlagen brachten immer weniger. Heute muss bezahlen, wer dem Bund Geld leiht. Auf der Passivseite zahlte die Postfinance den von den anderen Banken abgeworbenen Privatkunden weiter Zins. «Das konnte nicht aufgehen.» Nun stehe die Bank des Gelben Riesen vor einem Scherbenhaufen. Letzter Ausweg: volle Privatisierung. «Dafür aber muss die Postfinance die Bücher öffnen. Wenn sich zeigt, dass sie faktisch das Kreditverbot umgangen hat, und dies ohne richtiges Risikomanagement, dann sinkt der Wert. Also schnell weg damit», so Hässig weiter.
Das sieht Rinaldo Tibolla anders: «Die Post ist aufgrund des Grundversorgungsauftrages verpflichtet, Zahlungsverkehrs- Dienstleistungen anzubieten. Die Postfinance darf zur Verwaltung der Kundengelder Konti führen sowie damit zusammenhängende Vor- und Nebenleistungen wie Kontoüberzüge anbieten. Folglich wurde das Institut der Limiten immer als Teil des Zahlungsverkehrsangebotes betrachtet. » Der Entscheid, diese Dienstleistung aufzuheben, sei bereits im Oktober 2020 gefällt worden und stehe in keinem Zusammenhang mit dem Bundesratsentscheid von Mitte Januar 2021, die Vorlage ‹Teilrevision des Postorganisationsgesetzes› mit einer allfälligen Privatisierung der Postfinance zu erweitern.

Rinaldo Tibolla, Postfinance-Sprecher Bild: zVg

Dieser Text ist aus der LEADER Ausgabe März 2021. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

leaderdigital.ch/Stephan Ziegler