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Stadt St.Gallen
31.03.2021
14.12.2021 08:56 Uhr

«Wir kämpfen weiter bis wir unsere Freiheit kriegen»

Armin* (18) an der Anti-Corona-Party in St.Gallen
Armin* (18) an der Anti-Corona-Party in St.Gallen Bild: Matilda Good
Die St.Galler Krawallnacht sorgte schweizweit für Aufsehen und Aufregung. Ein Erklärungsversuch eines jungen Mannes, der ebenfalls Teil der Ereignisse war.

Die Nacht vom 26. März 2021 wird wohl vielen St.Gallern in Erinnerung bleiben: Hunderte Jugendliche versammelten sich auf den Drei Weieren und auf dem Roten Platz. Ihr Ziel: Party machen und dem Coronavirus trotzen. Doch beim friedlichen Feiern blieb es nicht und die Situation eskalierte. Die erschreckende Bilanz: Massiven Sachbeschädigungen, Pöbeleien und Angriffe auf Polizisten.

Während viele Verständnis für die friedlich feiernden Jugendlichen zeigten, sorgte die blinde Zerstörungswut für Kopfschütteln. Doch was sagen die Jugendlichen dazu? stgallen24 hat mit dem 18-jährigen Armin*, der die Krawalle hautnah miterlebt hat, gesprochen. 

Armin, wie hast Du persönlich von der Party erfahren?

In einer Story auf Snapchat.

Auf den Drei Weieren sei alles friedlich gewesen. Hast Du das auch so empfunden?

Die Polizei war schon vor unserer Ankunft sehr präsent. Keiner hatte Lust auf Polizisten und darum sind die meisten Leute wieder gegangen. Die Polizisten haben die Meute mit Taschenlampen, die sie uns direkt ins Gesicht leuchteten, provoziert.

Weshalb kippte die Stimmung?

Die Polizei blockierte  bereits auf den Drei Weieren die Eingänge. Da wurden einige schon hässig, weil sie nicht mal mehr dahin kamen. Es ist eine Frechheit ein öffentliches Areal zu sperren, denn es hatte gar nicht so viele Leute dort. Die Polizisten haben angefangen und deshalb kippte die Stimmung relativ schnell. Auf dem Roten Platz war vielen klar: Das wird keine normale Party werden. 

Und wie ging es dann weiter?

Auch auf dem Roten Platz waren die Polizisten vor Ort, aber sie standen einfach nur da und markierten Präsenz. Sie wollten, dass sich die Leute verziehen. Klar, dass die Partygänger darauf kein Bock hatten. Deshalb wurden die Polizisten mit Schneebällen beworfen und sie zogen sich zurück. Dann wurde auch die Stimmung besser und die Lage entspannte sich. 

«Der ganze Krawall hatte nichts mit Alkohol zu tun, sondern entstand aus Frust auf die Corona-Massnahmen. An dem Abend brachen diese ganzen angestauten Emotionen aus. »
Bild: Matilda Good

Obwohl sich die Polizei zurückzog, haben einige – so wie Du auch – nach der Polizei gerufen. Warum?

Den Leuten war klar, dass die Polizei wieder herkommen wird und man wollte den Prozess einfach beschleunigen. Wir wollten ihnen nur zeigen, dass wir mehr Leute sind und sie nichts gegen uns tun können. Mehr wollten wir nicht.

Rund eine Stunde später kam die Polizei dann in voller Montur und mit Verstärkung von allen Seiten. Das Chaos ging los und die Polizei schoss ohne Vorwarnung mit Gummischrot auf alle anwesenden Personen. 

An dem Abend war eine aggressive Grundstimmung zu spüren. Woran hat es gelegen?

Der ganze Krawall hatte nichts mit Alkohol zu tun, sondern entstand aus Frust auf die Corona-Massnahmen. Ausserdem war man wütend auf die Polizei, weil man nichts mehr machen kann, ohne direkt gebüsst zu werden. An dem Abend brachen diese ganzen angestauten Emotionen aus. 

Die Polizei hätte einen anderen Weg suchen müssen, um die Menschenmasse aufzulösen. Sie haben die Situation erst zur Eskalation gebracht.

  • Bilder aus der chaotischen Nacht Bild: Stadtpolizei St.Gallen
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  • Insgesamt sei ein Sachschaden von mindestens 40'000 Franken entstanden. Bild: Stadtpolizei St.Gallen
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  • Bis heute sind bei der Kantonspolizei St.Gallen 15 Anzeigen wegen Sachbeschädigung eingegangen. Bild: Stadtpolizei St.Gallen
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Es kam zu massiven Sachbeschädigungen von Geschäften und Gastrobetrieben. Die Besitzer dieser Geschäfte leiden ebenfalls stark unter den Massnahmen... 

Der Adrenalinspiegel war sehr hoch und dann kam es leider zu grausamen Sachbeschädigungen an Geschäften. Die Sachbeschädigungen in der Altstadt waren aus meiner Sicht ein No-Go!

Weshalb kam es also trotzdem zu dieser Beschädigung?

Als die Polizei von allen Seiten kam, haben die Leute begonnen, alles möglich nach ihnen zu werfen: Volle Glasflaschen, Steine, Stangen und alles, was ihnen in die Quere kam. Meiner Meinung nach war das gerechtfertigt, da sie ohne Vorwarnung mit Gummischrot geschossen haben. Da viele Leute nichts mehr zum werfen hatten, haben sie Sachen kaputt gemacht, um mit den beschädigten Materialien nach ihnen zu werfen. Die Polizisten drängten die Masse selbst in die Innenstadt.

Viele die ich kenne, die gar nichts gemacht haben, wurden von der Polizei gepfeffert und bekamen Tränengas ab. Einige wurden zu diesem Zeitpunkt auch von Gummischrot getroffen. Ich selbst wurde nicht verletzt, eine Kugel hat aber meinen Hals gestreift. 

«Der Adrenalinspiegel war sehr hoch und dann kam es leider zu grausamen Sachbeschädigungen an Geschäften. Die Sachbeschädigungen in der Altstadt waren ein No-Go!»

Hast Du etwas kaputt gemacht?

Nein, ich habe nichts kaputt gemacht. Mir ging es darum, zu zeigen, dass wir nicht mehr alles mit uns machen  lassen. Die soziale Bedürfnisse der Jungen leiden enorm unter den Massnahmen und mit den steigende Temperaturen wird es immer mehr zu Ausschreitungen kommen und das ist auch gut so. Wir haben lange genug verzichtet. Es muss sofort aufhören!

Gerüchten zufolge soll es dieses Wochenende erneut zu einem Aufstand kommen. Wirst Du dabei sein?

Ja, diese Gerüchte gibt's. Sogar die Zürcher wollen vorbeikommen. Ich selbst werde aber nicht dabei sein, aber die Polizei kann sich auf etwas gefasst machen. Wir kämpfen so lange, bis wir unsere Freiheit zurückkriegen!

*Name durch die Redaktion geändert

Statement der Stadtpolizei St.Gallen

stgallen24 hat Dionys Widmer, Sprecher der Stadtpolizei St.Gallen, mit den Aussagen von Armin konfrontiert.

Der Aufruf zur illegalen Party war für die Drei Weieren, weshalb wir mit einem grossen Aufmarsch rechnen mussten. Da es bereits viele Leute dort hatte, wurden die Wege zum Mösleguet abgesperrt, um eine noch grössere Ansammlung zu verhindern. Das restliche Gebiet wurde jedoch nicht abgesperrt. Wer diese Partyeinladung per Snapchat veröffentlichte, ist Sache der Ermittlungen, zum aktuellen Stand macht die Polizei aber keine Angaben.

Unser Ziel ist es stets, eine Eskalation zu verhindern. Wenn ein Rückzug dazu beiträgt, dann ist dieser richtig. Wenn aber die Eskalation bereits da ist – beispielsweise, wenn Strassen blockiert werden, private Fahrzeuge mit Wurfgegenständen attackiert werden oder wenn die Polizei mit Flaschen, Steinen und Böllern angegriffen wird, dann müssen wir einschreiten.

Wir haben die Situation vorerst beobachtet. Auf dem Roten Platz herrschte jedoch von Anfang an eine eher aggressive Stimmung. Zudem wurden vorbeifahrende private Fahrzeug mit Gegenständen beschossen. Später wurde auch die Strasse durch die Gruppierung blockiert. Somit musste die Polizei eingreifen. Diese wurden dann mit Flaschen, Steinen und Böllern angegriffen. Aus Notwehr, also um sich selbst zu schützen, mussten Einsatzmittel wie Gummischrot oder Pfefferspray eingesetzt werden. Leider wurde dennoch ein Polizist verletzt, welcher im Spital behandelt werden musste.

Mediensprecher Dionys Widmer Bild: pd

Es war immer wieder zu hören, dass das Auftreten der Polizei provoziert hätte. Wir müssen aber festhalten, dass wir erst eingeschritten sind, nachdem Gegenstände gegen vorbeifahrende Fahrzeuge geworfen und die Strassen blockiert wurden sowie die Polizei mit Flaschen, Steinen und Böllern angegriffen wurde. Danach wurden Einsatzmittel aus Notwehr eingesetzt. Für den Freitagabend war bereits im Vorherein zu Gewalt aufgerufen worden. Der Samstagabend hat bewiesen, dass es trotz über 100 Personen, welche sich in kleinen Gruppen dort aufhielten, und einer starken Polizeipräsenz auch friedlich bleiben kann.

Wir haben Kenntnis von weiteren Aufrufen. Wir beurteilen die Lage laufend und sind bereit, wenn ein entsprechender Einsatz notwendig ist. Wie wir bei den nächsten Krawallen vorgehen, geben wir aus polizeiaktischen Gründen nicht bekannt.

Matilda Good/Désirée Gächter
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