Es kriselt in der Ostschweiz: Letztes Jahr haben sich die vier Spitex-Vereine in St.Gallen zu einem fusioniert. Eine gemeinsame Softwarelösung solle Arbeitsabläufe effizienter gestalten, die Aus- und Weiterbildung solle mit der Einheitsspitex gestärkt sowie Prozesse optimiert und professionalisiert werden, stgallen24 berichtete.
Seitdem arbeiten 140 Personen unter dem gleichen Dach. Das scheint nicht allen zu gefallen, denn 22 Mitarbeiter haben die Kündigung eingereicht, wie das «St.Galler Tagblatt» weiss.
Finanzieller Aspekt im Mittelpunkt
Die Beweggründe dafür sollen mangelnde Wertschätzung und die neue Pflegephilosophie sein. Eine Betroffene erzählt gegenüber der Zeitung, dass neu nicht mehr die Klienten und deren Pflege, sondern der wirtschaftliche Aspekt im Mittelpunkt stehe. Diplomierte Pflegefachpersonen sollen sich nicht mehr um die Grundversorgung wie Duschen oder Anziehen kümmern. Das sollen nun die Pflegeassistenten machen. Fachpersonen Gesundheit sollen Aufgaben übernehmen wie Medikamentenausgabe oder Wundversorgung. Diplomierte Pflegefachpersonen sollen beratende Funktion haben.
Davor hätten die Diplomierten alles gemacht und die gesundheitliche, finanzielle und psychische Situation der Klienten gekannt. So konnte man – wenn nötig – einschreiten. Das sei nun eben nicht mehr möglich.
Zellweger ist nicht überrascht
«Gewisse Wechsel sind bei einer Reorganisation immer zu erwarten, insofern bin ich nicht überrascht», sagt Michael Zellweger, Geschäftsleiter der regionalen Spitex-Organisation, zum «Tagblatt». Die Fluktuation bewege sich, auch jetzt in der Anfangsphase, auf einem branchenüblichen Niveau. Der Versorgungsauftrag für die Bevölkerung sei gewährleistet, so Zellweger, der erst im Oktober zum neuen Geschäftsführer gewählt worden ist. In den drei in den Quartieren fest verwurzelten Standorten wird mittelfristig auf selbstorganisierende, flexible Teams gesetzt. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der konsequenten Nachwuchsförderung.
Schweigepflicht für Mitarbeiter
Nun werden neue Vorwürfe gegen die Geschäftsleitung laut: Zellweger soll eine Kopie des Personalreglements der Spitex St.Gallen AG ausgehängt haben. Dabei geht es um das Berufsgeheimnis und die Schweigepflicht. Darin heisst es: «Die Mitarbeiterin ist zur Verschwiegenheit über betriebsinterne Angelegenheiten sowie über solche über Klientinnen und Klienten verpflichtet. Diese Vorschriften gelten auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und über den Tod einer betroffenen Person hinaus.» Bei Missachtung drohen strafrechtliche Konsequenzen, Abmahnung oder fristlose Kündigung.
Edith Wohlfender ist empört, wie Thurgauer Grossrätin und Geschäfsleiterin des SBK Berufsverbands Pflege der Sektionen St.Gallen, Thurgau und beiden Appenzell, wie sie zum «St.Galler Tagblatt» sagt: «Dieser Aushang ist unmissverständlich.» Damit würde man den Mitarbeitern vermitteln, mit niemandem mehr über die Probleme sprechen zu dürfen. Diese führe zu Verunsicherung und Missmut. Die Spitex-Mitarbeiter hätten laut Wohlfender über Monate versucht, ihre Anliegen für eine gute Pflegequalität zu äussern. Sie schrieben an Geschäftsleiter Michael Zellweger, an den Verwaltungsrat, an Stadträtin Sonja Lüthi. Gehört worden seien sie nicht und das habe schliesslich zu den Kündigungen geführt.
Auf die Frage, warum ein Auszug des Personalreglements ausgehängt wurde, sagt Zellweger, der Auszug diene der Erinnerung an den Schutz der Persönlichkeitsrechte und schützenswerte Daten von Mitarbeitenden und besonders von Klientinnen und Klienten.