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Auto/Mobilität
07.11.2020
08.11.2020 03:15 Uhr

Dreieinhalb Millionen Kilometer pro Jahr

Samuel Holenstein, Bild: Marlies Thurnheer
Samuel Holenstein, Bild: Marlies Thurnheer Bild: FS
Die letzte Taxizentrale in der Stadt St.Gallen wird von der Herold Taxi AG betrieben. Vor rund einem Jahr hat Samuel Holenstein zusammen mit seinem Bruder David die operative Führung übernommen. Keine einfache Aufgabe, gerade mit der Pandemie.

Samuel Holenstein, die roten Herold-Taxis gehören seit 1916 zum St.Galler Strassenbild und sind nicht mehr wegzudenken. Während all der Jahre haben Sie schon manche Konkurrenz kommen und gehen sehen. Was haben Sie besser oder anders gemacht als solche, die nicht so erfolgreich waren?
Wir haben tagtäglich unser Bestes gegeben, um eine herausragende Dienstleistung für die Kundschaft zu leisten. Die lokale Verankerung ist sehr wichtig. So haben wir bewusst von Expansionen in andere Regionen abgesehen, um uns voll auf St.Gallen, unseren Heimmarkt, zu fokussieren. Wer zu viele Dinge tut, tut am Ende nichts richtig. Zusätzlich haben wir von Outsourcing abgesehen. Wir besitzen immer noch eine eigene Taxizentrale in der Stadt St.Gallen – mittlerweile die letzte in der Gallusstadt. Auch haben wir eine eigene Werkstatt und kennen unsere langjährige Kundschaft und deren Wünsche auswendig. Wir blieben unseren Wurzeln immer treu. Dennoch waren wir schweizweit das erste Taxiunternehmen mit erdgasbetriebenen Fahrzeugen und haben auch früh Elektrofahrzeuge in die Flotte integriert. Fortschritt ist wichtig, jedoch müssen die Investitionen wohlüberlegt sein.


Vor rund einem Jahr haben Sie die operative Führung übernommen. Wie haben Sie sich seither eingelebt?
Zuerst haben mein Bruder David und ich das Unternehmen so weitergeführt, wie es war. Die Herold Taxi AG war sehr erfolgreich und sollte es auch bleiben. Wir sind keine Fans davon, am ersten Tag gleich alles umzukrempeln. Aufgrund der Pandemie hat sich dieses Credo jedoch gewandelt, wir mussten ja reagieren. Klar hätte der Einstieg ein einfacherer sein können. Aber leicht ist so eine Verantwortung ja nie … Unser Familienunternehmen hat in den letzten 104 Jahren bereits schlimmere Zeiten durchlebt, so werden wir auch diese Pandemie überstehen.

Sie haben erst Ihr Studium abgeschlossen, sind dann aber doch in den Betrieb eingestiegen. Was gab den Ausschlag?
Der Reiz des Unternehmertums! Die Schattenseiten sind bekannt: So kann ich meine Überstunden weder aufschreiben noch kompensieren, die Verantwortung lastet manchmal schwer auf den Schultern. Doch man geniesst dabei eine unglaubliche Freiheit, kann kreativ und innovativ handeln. Ein Unternehmen zu leiten, ist eine Lebensschule, weil man Dinge in allen Bereichen lernt. Wenn man beim Klingeln des Weckers ein Lächeln auf dem Gesicht hat, kann die Entscheidung nicht so schlecht gewesen sein.

Vor über 100 Jahren startete Herold noch mit Pferdekutschen. Inzwischen beschäftigen Sie über 170 Mitarbeiter. Was waren und sind die grössten Herausforderungen im Taxi-Geschäft?
Die Entwicklung ab der Jahrtausendwende war schwierig. In allen Branchen zählte nur noch der Preis. Wir sehen glücklicherweise eine Gegenbewegung: Qualität wird wieder geschätzt. Das Taxi ist ein Luxusgut, dies muss dem Fahrgast bei jeder Fahrt durch eine hohe Qualität gezeigt werden. Weiter beschäftigt auch uns der Klimawandel, wo es gilt, möglichst rasch zu handeln. Dennoch darf man die finanzielle Seite nie ausser Acht lassen.

Sie sind auch im Vorstand der ASTAG-Fachgruppe Taxi. Gerade die Taxibranche befindet sich im Wandel. Wo drückt der Schuh bei den meisten Taxi-Unternehmen?
Momentan ist das Hauptthema natürlich die Pandemie. Erfreulich ist, dass sich der Personentransportmarkt schweizweit wieder erholt. Das Taxi ist im Moment beliebt, es wird von vielen Personen als «coronasicherer» erachtet als der öffentliche Verkehr. Weiter beschäftigt uns seit langer Zeit die Revision der ARV. Dies war bereits ein Thema unter Doris Leuthard. Die Taxis sind als leichte Personentransportfahrzeuge nicht unter der ARV 1 geregelt, sondern unter der ARV 2. Die Politik wollte zuerst eine Abschaffung der Lenkzeitenregulierung. Dies hätte aus der Sicht der ASTAG zu einem Sicherheitsrisiko für die Fahrgäste geführt. Nun ist unser Ziel, eine Zwischenlösung zu finden, da die momentanen Gesetze sehr aufwendig sind.

Die Digitalisierung macht auch vor der Taxibranche nicht Halt.
Genau. Als TaxiSuisse stehen wir hinter der Taxiapp «go!», einer schweizweiten App mit der SBB als Partnerin. In vielen Städten sind die berühmt-berüchtigten Fahrtenvermittler ein Dauerthema. Jedoch sehen wir einen positiven Trend aus der Politik, die diese Unternehmen mehr und mehr in die Pflicht gegenüber den Arbeitnehmern nimmt. Auch der Klimawandel lässt die Taxibranche nicht kalt. So setzen immer mehr Taxiunternehmen auf Hybrid- oder Wasserstofffahrzeuge, was sehr erfreulich ist. Die Stadt Baden hat da sehr gut reagiert und die vordersten Taxistandplätze zu E-Plätzen umgewandelt, um Elektrotaxis zu bevorzugen. Diese Standplätze sind auch mit einer Schnellladestation ausgestattet. Wir hoffen auf ähnliches bei der Neugestaltung des Marktplatzes in St.Gallen.

Das Thema Nachhaltigkeit ist also ein grosses Thema. Sie haben bereits Tesla-Taxis in Betrieb. Gibt es weitere Projekte, die Sie in dieser Hinsicht anstreben?
Der Markt ist diesbezüglich im Wandel. Auch hier gilt als KMU, nicht gleich alles Geld in ein erstes Produkt zu stecken. Deswegen haben wir uns vor über drei Jahren als Testversuch zwei Tesla angeschafft. Diese Erfahrung ist sehr wichtig, so wollen wir weitere Elektrofahrzeuge anschaffen. Die ganze Flotte wird aufgrund der beschränkten Reichweiten und langen Ladezeiten noch nicht auf Elektro umzustellen sein. Dennoch möchten wir unsere Flotte möglichst ökologisch aufstellen. Dazu gehört die Anschaffung von energieeffizienten Fahrzeugen, unsere neuen Volvos gehören der Energieeffizienzkategorie A an. Den Trend zu Wasserstoffautos beobachten wir ständig. Uns ist unsere Verantwortung bewusst. Immerhin spult die Herold Taxi AG im Jahr über 3.5 Millionen Kilometer ab.

Dieser Text ist aus dem LEADER Special ASTAG-Transportflash Oktober 2020. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

leaderdigital.ch/Manuela Bruhin
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