Dass das Werk nicht «Romeo und Julia» heisst, sondern «I Capuleti e i Montecchi», hat einen einfachen Grund: Es sind die Namen der beiden verfeindeten Familien aus Verona, zwischen denen die tragische Liebe angesiedelt ist. Romeo ist ein Montecchi, Giulietta eine Capuleti, deren Bruder von Romeo im Kampf getötet wurde.
Seither stehen sich die Familien unversöhnlich gegenüber – eine Konstellation, die William Shakespeare Ende des 16. Jahrhunderts zum Ausgangspunkt seiner Tragödie nahm.
Die Stimmen beeindruckten vom ersten Ton an, wie man es sich vom Theater St.Gallen gewohnt ist: Jennifer Panara als Romeo und Kali Hardwick als Giulietta gestalteten ihre Partien mit druckvoller Stimmkraft, präzisem Ausdruck und enormer emotionaler Bandbreite.
Panaras Romeo ist in Vincenzo Bellinis Partitur (Uraufführung: 1830 in Venedig) als sogenannte «Hosenrolle» angelegt – eine Operntradition, bei der eine Sängerin in Männerkleidung auftritt und eine Männerfigur verkörpert.
Regisseurin Pınar Karabulut entschied jedoch, die Figur nicht als verkleideten Mann zu zeigen, sondern die Darstellerin als Frau auftreten zu lassen. Ein Zugeständnis an den Zeitgeist, das der Stimmigkeit und Stimmgewaltigkeit des Abends keinen Abbruch tat.
Besonders hervorgehoben sei auch das Bühnenbild von Michela Flück, das mit seinen Western-Anleihen eine eigenständige, moderne Bildsprache entfaltete.
Der «Wilde Westen» als Projektionsfläche für Konstruktionen von Männlichkeit war ein treffender Rahmen für die patriarchalen Machtgefüge, die Karabulut infrage stellt.