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Kanton
31.10.2020

Kein automatischer Lohnanstieg mehr

Primus Schlegel, Bild: Marlies Thurnheer
Primus Schlegel, Bild: Marlies Thurnheer Bild: FS
Im neuen Lohnsystem des Kantons St.Gallen werden über 150 Referenzfunktionen beschrieben, um die erwünschte Leistung mit einer passenden Lohnsumme zu verknüpfen.

Im Kanton St.Gallen wurde 2019 ein neues Lohnsystem eingeführt, das ausser den Lehrern sowie den Richtern alle Bereiche, neben der zentralen Verwaltung auch das Gesundheitswesen und die Polizei, erfasst. Wesentliche Änderung: Bis anhin galt ein Stufenmodell, für den Lohnanstieg gab es einen weitgehenden Automatismus. «Davon ist man nun weggekommen», erklärt Primus Schlegel, Leiter des Personalamts des Kantons St.Gallen.

Leistungsorientiert ohne Leistungslohn
Das neue Lohnmodell definiert Referenzfunktionen, die sich in Lohnbändern mit definiertem Minimum und Maximum bewegen.
Die Referenzfunktionen werden aufgrund der Aufgaben und der verlangten Kompetenzen beschrieben und sind nicht personenbezogen. Das neue Lohnmodell des Kantons soll stärker leistungsorientiert sein, es gibt aber keine Leistungslöhne im eigentlichen Sinn: «Das wäre im Verwaltungsbereich sehr schwierig umzusetzen», sagt Schlegel, «wie genau soll man die Leistung messen?» Oft sei es schwierig,
einen relevanten Output als Messkriterium zu definieren. Es wäre wohl nicht zielführend, beispielsweise die Leistung eines Polizisten auf die Anzahl ausgestellter Bussen zu reduzieren. Für die Definition der Referenzfunktionen wurden auch Quervergleiche gemacht, etwa die Frage aufgeworfen, wie eine Hebamme im Vergleich zu einem Polizisten eingereiht werden soll. «Es ging also um die summarische Bewertung der Tätigkeit. Massgebend sind die Anforderungen der jeweiligen Stelle», erläutert Schlegel.

Über 150 Referenzfunktionen
Insgesamt wurden über 150 Referenzfunktionen definiert, gut die Hälfte davon entfällt auf das Gesundheitswesen.
Die Beschreibung einer höheren Funktion in der Verwaltung (hier als Beispiel «Fachbearbeitung 5») klingt dann so: «Selbständiges
Bearbeiten eines hochspezialisierten administra-tiven, technischen oder rechtlichen Bereichs. In erster Linie strategische, stark vernetzte und interdisziplinäre Aufgaben. Grosser Handlungs- und Ermessensspielraum mit sehr grosser Fachverantwortung.» Die berufliche Stellung wird hier mit «Ausführend; fachliche Unterstellung von Mitarbeitern möglich» angegeben, bei Verantwortung steht «Erstellen von komplexen Berichten und Expertisen in strategisch relevanten Geschäften», «Erledigen sehr komplexer und strategischer fach- und organisationsübergreifender Planungs- Koordinations- und Umsetzungsaufgaben» sowie «Leiten von sehr grossen, komplexen Projekten». Als Ausbildung werden ein Master und eine funktionsspezifische Weiterbildung erwartet, dazu mindestens fünf Jahre Berufserfahrung. Wer diese Anforderungen erfüllt und eine entsprechende Stelle bekommt, wird im Lohnband 26 bis 31 eingereiht, er bekommt somit einen Jahreslohn (inkl. 13. Monatslohn, Ansatz 2020) von mindestens 114'474.10 und maximal 175'406.40 Franken. Die ganze Skala umfasst 37 Lohnklassen, in der untersten Lohnklasse fängt der Jahreslohn bei 32'801.60 Franken an für Administrative Mitarbeit oder Mitarbeit im Bereich Handwerk, Technik und Betrieb. Die einfachsten regulären Löhne in Lohnklasse 3 fangen bei 37 607.70 Franken an. Die oberste Lohnklasse 37 entspricht einem Jahresverdienst von 240'279.00 Franken. Diese Stufe können z. B. die Generalsekretäre oder die Leitungen der anspruchsvollsten Ämter erreichen. Dieses Salär wird nicht flächendeckend angewendet: Der minimale Lohn für die Leitung kleinerer Ämter liegt bei 125'325.20 Franken, in ihrem Lohnband können die Saläre bis maximal 197 026.70 Franken klettern. Im Polizeikorps (ohne Kommandant) sind Löhne von 67'254.50 bis 207'842.70 möglich.

Präzise Kaderbegriffe
Mit dem neuen Lohnsystem wurde für die zentrale Staatsverwaltung (ohne Justiz, Gesundheit und Lehrkörper) der Kaderbegriff geschärft, es gibt nun ein unteres, mittleres, oberes und oberstes Führungskader, also Funktionen mit einer mehr oder weniger grossen Personalverantwortung; sowie Fachkader. Das sind Funktionen ohne direkte Personalverantwortung, aber mit einem Verantwortungsbereich und einem vorausgesetzten Qualifikationsniveau, dass eine Kaderzuteilung rechtfertigt. Dass in der St.Galler  gezählt werden, sind es bei den Führungskadern knapp über 20 Prozent. Das personalpolitische Ziel von mindestens 28 Prozent, das sich der Kanton gesetzt hat, wird also noch deutlich verfehlt.

Frauen fahren besser
Deshalb will der Kanton bei entsprechenden Stellenausschreibungen noch gezielter Frauen ansprechen, wie Primus Schlegel sagt, «gerade auch Wiedereinsteigerinnen.» Um attraktiv zu sein, sollen Möglichkeiten wie Teilzeitarbeit und Homeoffice ausgebaut werden, zudem will der Kanton auch den eigenen weiblichen Nachwuchs gezielt fördern. Eine Vorgabe für das neue Lohnsystem war, dass es diskriminierungsfrei sein sollte. Das wurde ziemlich gut erreicht: Eine im Jahr 2019 extern durchgeführte Lohnanalyse zeigte
auf, dass die «nicht erklärbaren Lohnunterschiede» zwischen Männern und Frauen bei 2,5 Prozent liegen, somit deutlich unter der Toleranzmarke von fünf Prozent. Hervorzuheben ist, dass bei der Festlegung des Anfangslohns die Erziehungsjahre als Berufserfahrung mitberücksichtigt werden. «Damit fahren Frauen tendenziell besser, das ist politisch so gewollt», betont Primus Schlegel. Die Berufserfahrung spielt beim Anfangslohn eine nicht unwesentliche Rolle für die Positionierung im Lohnband.

Gewichtige Ausnahmen
Eine Sonderrolle als kantonale Angestellte nehmen Chefärzte sowie Hochschulprofessoren ein: Sie sprengen die Lohnskala und haben eigene Bemessungsgrundlagen. Für Kaderärzte gilt im Kanton St.Gallen ein Lohndeckel: Im Verbund des Kantonsspitals darf das Total der Besoldung nicht über 700 000 Franken klettern, in den anderen Spitalverbunden liegt diese Schwelle bei 500 000 Franken, in den Psychiatrieverbunden bei 350 000 Franken. Professoren an der HSG können bis zu 250 000 Franken verdienen – dürfen daneben aber auch noch Mandate in der Privatwirtschaft annehmen. Lehrer an kantonalen Schulen wiederum sind nicht im neuen Lohnsystem des Kantons eingereiht, für sie gilt eine eigene Besoldungsordnung, der Lohn bemisst sich hier im Wesentlichen nach den Laufbahnjahren. Auch für die Richter gilt seit dem Jahr 2020 ein eigenes Lohnmodell mit einem Ziellohn.

Kanton ist konkurrenzfähig
Und wie gut verdienen «normale» Mitarbeiter in der St.Galler Kantonsverwaltung wirklich? «Der Vergleich mit der Privatwirtschaft ist schwierig», sagt Primus Schlegel, «da gibt es kaum verlässliche Daten.» Auch die einzelnen Funktionen seien oft schwer mit Stellen in der Privatwirtschaft zu vergleichen. Messen kann sich St.Gallen mit anderen Kantonen, wobei da gerne die Nachbarn und Luzern herbeigezogen werden, nicht aber Zürich mit seinem deutlich höheren Lohnniveau. «St.Gallen steht in diesem Vergleich gut da und ist konkurrenzfähig», sagt Schlegel. Konkret sei das Lohnniveau im Vergleich zu den kleineren Kantonen etwas höher, im Vergleich zu grossen Kantonen aber leicht tiefer. Bei der Rekrutierung spüre der Kanton als Arbeitgeber, wenn der Arbeitsmarkt ausgetrocknet sei und die Löhne in der Privatwirtschaft stiegen. «Wir können kurzfristige Bewegungen vom Arbeitsmarkt nicht mitmachen», so Primus Schlegel. Auch wenn man im Einzelfall eine gewisse Beweglichkeit bei der Lohnbemessung habe, dürfe der Quervergleich mit ähnlichen Funktionen nicht aus den Augen verloren werden. Der Staat als Arbeitgeber könne aber auch mit anderen als monetären  kann eine Motivation sein – und auch der vergleichsweise sichere Arbeitsplatz.»

Mehr Transparenz bei Löhnen
Im Februar dieses Jahres hat das St. Galler Stimmvolk mit 53 Prozent Nein die Initiative «Behördenlöhne vors Volk» abgelehnt, die nach Diskussionen um die Vergütung verschiedener kommunalen Exekutiven lanciert wurde. Bei einem Ja wären einzelne Löhne dem Referendum unterstellt gewesen. Nach der Abstimmung begrüsste etwa die FDP das Nein als «Stärkung des Milizsystems» und sah das Vertrauen in die Gemeindebehörden bestätigt. Für Mitinitiant Sascha Schmid, Kantonsrat aus dem Wahlkreis Werdenberg und designierter Vizepräsident der Kantonsratsfraktion der SVP, hat sich der Einsatz trotz Niederlage gelohnt – weil die Gegner schon im Vorfeld Konzessionen machten: «Dank unserer Initiative erhalten wir mehr Transparenz bei Löhnen der vom Volk gewählten Behörden.» Das sei im Sinne von «Checks and Balances» sehr zu begrüssen, auch wenn die Bürger vorerst die Löhne nicht mitbestimmen könnten. Schmid und seine Mitinitianten wollten, dass diese eingreifen können, wenn sie die Entlöhnung als zu hoch oder zu tief einschätzen. «Schliesslich sind die Bürger Chef der gewählten Politiker. Heute bestimmt sich beispielsweise der Gemeinderat selbst den Lohn, was ohne Transparenz klare Fehlanreize setzt.» Als Kantonsrat hat Sascha Schmid stets auch ein Auge auf die Löhne in der Kantonalen Verwaltung, die er als «überdurchschnittlich» empfindet. Schmid verweist auf das öffentlich einsehbare Lohnsystem, wonach ein Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung bis zu 175'000 Franken und ein Amtsleiter bis zu 240'000 Franken brutto im Jahr verdiene, bei Ärzten und Universitätsprofessoren könne es auch deutlich mehr sein. «Wenn man bedenkt, dass der schweizweite Medianlohn von oberen Kaderangestellten 2018 bei rund 120'000 Franken brutto pro Jahr lag, sind die Gehälter beim Kanton sicher attraktiv.»
Das Lohnsystem eines Staatswesens solle alle fair entlöhnen, ist Schmid überzeugt; fair sei ein Lohn, «wenn er der Leistung und der Verantwortung einer Person gerecht wird». Tief entlöhnt werde beim Kanton kaum jemand – «ich kenne keinen Kantonsangestellten, der
wie eine Coiffeuse oder ein Verkäufer verdient».

Dieser Text ist aus der LEADER Ausgabe Oktober. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

leaderdigital.ch/Philipp Landmark
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