«Das «Nicht mehr Leben und Leben lassen» schleicht sich seit vielen Jahren in die westliche Gesellschaft ein – und ist bei weitem nicht nur ein St.Galler Problem. Der Meinungskorridor wird immer enger.
Dies geschieht durch die Zunahme von Tabuthemen, über welche die «Meinungen gemacht sind» bzw. «gemacht wurden». Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Erkenntnis ist abgeschlossen – es darf keine neue Sichtweise, es dürfen keine weiteren Fragen mehr gestellt werden.
Die Themenfelder sind bereits so zahlreich, dass sie nur exemplarisch genannt werden können:
- Corona: Wer das offizielle Narrativ ablehnte, wurde sofort in die Ecke der Verschwörer oder Schwurbler gestellt. Wer die Webseite des Bundes gründlich studierte, konnte erfahren, dass Kritiker der Corona-Massnahmen in die Nähe von Terroristen gerückt und als staatsgefährdend betrachtet wurden.
- Menschenverursachter Klimawandel: Auch hier gilt: Die Meinungen sind gemacht. In Europa – auch in der Schweiz – gab es Politiker, die ein Hinterfragen des Klima-Narrativs unter Strafe stellen wollten. Zum Glück ist es (noch) nicht so weit gekommen.
- Die Gender-Agenda: Auch in diesem Bereich existieren neue gesetzliche Regelungen, die ein traditionelles Verhalten – etwa in der Ansprache – schwierig machen. In Deutschland kann eine Ansprache mit dem «falschen» Geschlecht bereits rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Diese Narrative werden mit einem so starken politischen Druck in die Gesellschaft eingeführt, dass sich extreme Befürworter berechtigt fühlen, Gewalt gegen Andersdenkende auszuüben.
Man denke nur an Aktionen von Extinction Rebellion, die die Limmat grün einfärbten, oder an Klimaaktivisten, die in Zürich und Basel Banken besetzten oder Strassen blockierten.
Solche politischen Unterstützer wurden juristisch oft mit Samthandschuhen angefasst – was die Spirale von Intoleranz und Gewalt zusätzlich befeuert, solange sie dem gewünschten Narrativ dient.
Eine zentrale Frage in dieser Diskussion ist diejenige der Identifikation:
- Wer bin ich? Bin ich mein Körper? Die meisten würden sagen: «Ich habe einen Körper.»
- Bin ich meine Gedanken? Auch hier dürfte Konsens herrschen: «Ich habe Gedanken.»
- Bin ich meine Meinung? Diese entsteht aus Gedanken, gespeist durch Informationen. Doch bei welchem Thema besitzt man tatsächlich alle Informationen?
Was bedeutet es also, wenn eine Meinung dogmatisch gebildet und abgeschlossen ist? Es bedeutet, dass keine neue Information und keine andere Sichtweise mehr dazukommen können.
Wenn ich mich nun auch noch mit meiner Meinung identifiziere, also «ich bin meine Meinung», bedeutet jede Infragestellung einen persönlichen Angriff. Das führt zu einer existenziellen Bedrohung – und nicht selten zu Gewalt in der Verteidigung dieser Meinung.
Ich weiss nicht, ob solche Menschen offen für die Erkenntnis sind, dass sie nicht ihre Gedanken, nicht ihr Denken und nicht ihre Meinung sind.
Sollte sich meine Meinung als falsch oder unvollständig erweisen, dann ist das eine Bereicherung – ich habe gelernt! Mein Selbst wird dadurch nicht erschüttert. Vielleicht habe ich eine Zeit lang Energie in etwas Falsches investiert – aber machen wir nicht genau durch solche Fehler die grössten Lerneffekte?
Es bleibt uns stets Zeit, uns für «Richtigeres» einzusetzen – im Bewusstsein, dass die absolute Wahrheit wohl unerreichbar bleibt. Dieses Leben bedeutet ständiges Lernen – und das macht tolerant sowie offene Debatten zur Pflicht.»