Die Liebe im Alter ist kein viel besprochenes Thema – zu Unrecht. Dass Zärtlichkeit, Humor und echte Nähe auch jenseits der Siebzig nichts von ihrer Kraft verlieren, zeigen Maria Hufenus und Ernst Ziegler. In einem Porträt der NZZ-Serie «Alte Lieben» gewähren die beiden Einblick in ihre gemeinsame Geschichte – eine Geschichte voller Geduld, Eigenwilligkeit und gegenseitigem Respekt.
Ein Buch, ein Satz – und eine Ahnung
Kennengelernt haben sich die beiden bei einer Buchvernissage in St.Gallen. Maria Hufenus, damals 43 Jahre alt, wollte ein Exemplar der «Geschichte der Stadt St.Gallen» kaufen – für ihre Tätigkeit als Stadtführerin. Ernst Ziegler, 50-jähriger Stadtarchivar, bemerkte dies und drückte ihr spontan ein Exemplar in die Hand. Es war der Beginn einer Verbindung, die beide sofort spürten – aber aus Rücksicht auf bestehende Familienverhältnisse zunächst nicht lebten.
«Alle wussten es – nur wir nicht»
Über Jahre hinweg kreuzten sich ihre beruflichen Wege, immer wieder traf man sich – mit der unausgesprochenen Ahnung, dass da etwas war. Erst später, als beide geschieden waren, entschieden sie sich füreinander.
Seitdem lebt das Paar gemeinsam in einem Häuschen mit Blick auf den Bodensee, umgeben von Büchern, Erinnerungen – und viel Gelassenheit.
Rituale, Respekt und rote Rosen
Zärtlichkeit zeigt sich bei den beiden nicht in grossen Gesten, sondern in kleinen Ritualen. Jeden Freitag bringt Ziegler seiner Frau eine rote Rose. Und jeden Abend, vor dem Einschlafen, streichelt er ihr den Rücken. «Das reicht bereits», sagt er. «Ein bisschen Gvätterle muss sein.»
Für Hufenus und Ziegler ist Intimität im Alter ein fliessender Übergang: «Wie ein Fluss, der anfangs sprudelt und dann ruhiger wird.» Wichtig sei, dass man sich immer noch nahebleibe, emotional wie körperlich – auch wenn sich vieles verändert.
Was wirklich zählt: Achtung und offene Gespräche
Ihr gemeinsames Motto stammt von Immanuel Kant: «Ohne Achtung gibt es keine wahre Liebe.» Für Ernst Ziegler ist klar: «Unsere früheren Ehen waren Lehrblätze. Wir haben gelernt, dass man Probleme offen ansprechen muss.»
Ein Streit in Australien, kurz nach der Hochzeit, sei für Maria Hufenus ein Wendepunkt gewesen: «Ich musste lernen, zu sagen, was mir nicht passt – und Ernst hat nicht locker gelassen.»
Ein Leben in Büchern – und mit viel Humor
In ihrem Zuhause, das an eine kleine Privatbibliothek erinnert, sammelt Ernst Ziegler Sprüche und Lebensweisheiten. Viele kennt er auswendig, andere notiert er mit der Schreibmaschine.
Neben Kant und Schopenhauer hat aber auch seine Frau ein eigenes Lebensmotto beigetragen: «Bis nett und fröhli mit jedem Löli» – ein Appenzeller Leitsatz, der sie bis heute begleitet.
Zusammen alt werden – und darüber reden
Die beiden sprechen offen über Krankheit, Alter und Tod. Sie gehören der Sterbehilfeorganisation Exit an, gehen aber weiterhin mehrmals pro Woche ins Fitness und unternehmen Spaziergänge.
«Solange es geht, machen wir alles selbst», sagt Maria Hufenus. «Und wenn ich wieder im Alpstein wandern will – dann geht das auch.»
Die wichtigste Erkenntnis?
Für Ziegler ist es einfach: «Redet miteinander. Sagt, was euch über die Leber gekrochen ist. Sonst funktioniert es nicht.» Und Hufenus ergänzt: «Wenn irgendetwas nicht stimmt, sagen wir uns: Wenigstens haben wir uns beide. Das hilft wahnsinnig.»