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Stadt St.Gallen
18.04.2025
17.04.2025 14:55 Uhr

«Weg der Vielfalt»: Das Pogrom von 1349

Die «Judengass» – heute: Hinterlauben
Die «Judengass» – heute: Hinterlauben Bild: wegdervielfalt.ch
Die kulturhistorische Vielfalt von St.Gallen zeigt sich an zahlreichen Orten. Eine interaktive Karte lädt dazu ein, die Stadt und bisher eher unbekannte Erinnerungsorte sowie deren Geschichten zu entdecken. stgallen24 stellt in loser Folge einige besondere Orte vor. Heute: Das Pogrom von 1349 in der «Judengass».

1268 wurde erstmals ein Jude namens Simon Judäus in St.Gallen erwähnt und 1292 wurden zwei Häuser an der «Judengass» als von Juden bewohnt genannt.

Bis ins 19. Jahrhundert kannte man die Gasse «Hinter der Brotlaube» als «Judengass», weil sich dort Menschen jüdischen Glaubens in geschlossenen Gemeinschaften ansiedelten oder ansiedeln mussten. Die «Brotlaube» oder «Tuchlaube» war ein Gebäude, das an das Haus «Zur grossen Engelburg» an der oberen Marktgasse anschloss.

Wie in vielen europäischen und Schweizer Städten (Basel, Bern, Diessenhofen, Genf, Schaffhausen, Solothurn, Winterthur, Zofingen, Zürich) kam es im 14. Jahrhundert auch in St.Gallen zu einem Pogrom (погром, russ.: Verwüstung, gewaltsame Zerstörung) gegen die jüdische Minderheit.

Die Stadt St.Gallen blickt auf eine über tausendjährige Vergangenheit zurück, wobei die erhaltene Bausubstanz – von wenigen Ausnahmen abgesehen – aus der Zeit nach dem letzten grossen Stadtbrand von 1418 stammt. Viele Bauwerke, die für das heutige Stadtbild wichtig sind und zum baukulturellen und kunstgeschichtlichen Erbe gehören, zeugen von den sozialen Machtverhältnissen und vom jeweils zeittypischen Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit dem ihr Fremden.

Es soll die Aufgabe des «Wegs der Vielfalt» sein, nicht nur aus heutiger Sicht problematische Darstellungen oder Orte mit einer belasteten Vergangenheit zu erkennen und den geschichtlichen Bezug herzustellen, sondern auch Geschichten von Widerstand, Solidarität und Gemeinsinn zu erzählen.

Es war die Zeit der Pest («Schwarzer Tod»), die in Europa 1346 ausbrach und rund ein Drittel der Bevölkerung dahinraffte. In dieser Krisenzeit akzentuierten sich uralte Traditionen der Judenfeindschaft mit ihren Vorwürfen von Hostienfrevel, Gottesmord, Ritualmord und Wucher.

Dazu kam nun die Anklage, jüdische Menschen hätten als Feinde der Christen absichtlich die Brunnen vergiftet. 

Am 23. Februar 1349 werden auch von den in St.Gallen ansässigen Juden «etliche verbrennt». In einem Freiheitsbrief entlastet jedoch Kaiser Karl IV. die St.Galler von jeder Verantwortung für den Judenmord.

Nach 1349 kehrten Juden nur langsam in die Stadt St.Gallen zurück, manche liessen sich auch in Rheineck nieder, das eine Zeit lang mit einem jüdischen Bevölkerungsanteil von 13 Prozent zu einem eigentlichen jüdischen Zentrum wurde.

Erst 1377 und längerfristig seit dem frühen 15. Jahrhundert finden sich wieder Belege dafür, dass einige wenige Juden in der Stadt lebten. Etwa ab dem Jahr 1500 wurde die früher eher ärmliche «Judengass» bzw. Hinterlauben «gentrifiziert»: Alteingesessene Familien wie die von Watt (Vadian), Schlatter, Mötteli oder Ramsauer errichteten dort herrschaftliche Neubauten samt Kontoren für die Kaufleute. 

Weiterführende Quellen:

stgallen24/stz.
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