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Lifestyle
02.10.2020

«Nichts geht über das persönliche Erleben»

Bilder: Marlies Thurnheer
Bilder: Marlies Thurnheer Bild: FS
Seit 1953 realisiert das Familienunternehmen Baumann AG Küchen in St.Gallen. Dabei steht Individualität an oberster Stelle.

Text: Miryam Koc

Tagtäglich setzen sich die Küchenbauer mit Kochen, Küchen, Design und Funktionalität auseinander. Im Interview skizziert Betriebsleiter Fabian Baumann, welche Küchen und Geräte im Trend sind und warum aus Besprechungen schnell private Gespräche werden.

Fabian Baumann, Sie arbeiten in einem Familienunternehmen in der dritten Generation. Was hat Ihre Familie damals dazu bewegt ins Küchenbauergeschäft einzusteigen?
Mein Grossvater hatte in den 1950er-Jahren einen kleinen Schreinerbetrieb aufgebaut. Als meine Eltern in den 1970ern einstiegen, wollten sie sich auf Kunststofffenster oder Küchen spezialisieren. Da der Küchenbau aber wesentlich kreativer war, haben sie sich dann dafür entschieden.

Sie sind 2003 mit an Bord gegangen und leiten den Betrieb seit 2010. War Ihnen der Weg vorgegeben oder hatten Sie zunächst andere berufliche Pläne?
Schon vor meiner Lehre als Schreiner habe ich mich stark für den elterlichen Betrieb interessiert. In meiner Freizeit und in den Ferien war ich oft in der Schreinerei tätig oder habe bei Ausstellungen geholfen. Daran hatte ich immer viel Freude, und so war mir relativ früh bewusst, dass ich diesen Weg einschlage.

Was schätzen die Kunden an Ihren Küchen besonders?
Ich glaube, dass die übersichtliche Grösse unseres Betriebes eine entscheidende Rolle spielt. Dadurch wird der erste Kontakt schon mal gefestigt, denn die Kunden merken, dass sie bei uns nicht in einer Massenabfertigung bedient wird, sondern die Bedürfnisse und Wünsche analysiert und eingegangen wird. Wir begleiten jeden Kunden zu seiner individualisierten Küche.

Sie sagen, das Wichtigste sei der Dialog zwischen Bauherr und Küchenbauer. Warum?
Jeder Bauherr hat seine eigenen Vorstellungen von seiner Traumküche. Im Gespräch oder im eigentlichen Planungsprozess wird sehr oft deutlich, dass sich diese Küche gegenüber der ursprünglichen Vorstellung entwickeln muss. Der Kunde kommt meistens mit Bildern und Designs von anderen Küchen und glaubt, dass damit schon die Hälfte getan sei. Das ist zwar wichtig, aber in erster Linie ist für uns die Küche immer eine Werkstatt. Also ein Funktionsraum, der möglichst optimal auf die Bedürfnisse der Benutzer eingeteilt werden soll.

Also wird an den ursprünglichen Vorstellungen gefeilt?
Ja. Dies führt sehr oft zu spannenden Diskussionen mit dem Kunden und lässt uns teilweise in sehr private und intime Gewohnheiten blicken. Je besser wir den Kunden und seine Kochgewohnheiten verstehen, desto dezidierter können wir unsere Ideen und Erfahrungen in die Planung mit einbringen.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Bei einem unserer Kunden war die Lagerung des Katzenfutters in der Küche wegen des Geruchs sehr oft ein Streitpunkt. Wir haben dem Kunden dann vorgeschlagenen, einen Freezyboy (gekühlter Kompostbehälter) in der Küche zu installieren. Damit war das Futter bei Lagerung geruchsneutral und konnte weiterhin in der Küche bleiben. Nun sind alle Familienmitglieder zufrieden – inklusive Katzen. Erst wenn solche Dinge gelöst sind, kommt dann das Design, getreu dem Leitsatz «Form follows Function».

Wir kommen um das Thema Corona nicht herum. Was waren Ihre Gedanken, als Sie erfahren haben, dass Sie Ihren Showroom schliessen müssen?
Eine grosse Unsicherheit kam natürlich auch bei uns auf, da es nicht klar war, ob und wie lange wir die Ausstellung schliessen mussten und was das für einen Einfluss auf unsere Projekte hat. Da die Arbeitsplätze der Planer in die Ausstellung integriert sind, waren wir dankbar, dass wir den Bürobetrieb weiterhin aufrechterhalten konnten – mit Einhaltung der Schutzmassnahmen natürlich. Ich habe mir Sorgen gemacht, wohin das noch führen wird, auch in meiner Verantwortung als Vater und Unternehmer.

Der Showroom ist ein wichtiges Werkzeug und eine Bühne, auf der Kunden verschiedene Küchenwelten erleben, betreten und berühren können. Dies war während des Lockdowns nicht möglich.Wir konnten mit Videokonferenzen und Onlinepräsentationen gewisse Besprechungen auffangen, jedoch ersetzt das Internet keine persönlichen Gespräche in unserem Showroom oder beim Kunden zu Hause. Zurzeit sind die Termine wieder fast normal, und wir sind sehr froh darüber. Die Olma 2020 wird uns aber sehr fehlen! Seit über 40 Jahren hat unsere Firma keine Olma als Aussteller verpasst. Nun haben wir beschlossen, einen Teil des gesparten Budgets in den Designweihnachtsmarkt, der zum vierten Mal in unserer Ausstellung stattfindet, zu investieren. Wir sind überzeugt, dass unsere Kunden die Haptik und das persönliche Erlebnis suchen.

Die Kauflust der Bevölkerung ist wieder gestiegen. Spüren Sie das auch?
Beim Umbau ist es eindeutig! Viele unserer Kunden haben sich gesagt: «Jetzt erst recht! Wenn ich schon mehr Zuhause koche, dann möchte ich auch gut eingerichtet sein.» Daher merken wir im Moment eine höhere Nachfrage. Beim Neubau muss man das eher langfristig beobachten, da die Bauherren den Entscheid zum Bauen vor Corona getroffen haben und jetzt bei der Küche angelangt sind.

Welches Design und Geräte sind zurzeit besonders «en vogue»?
Praktisch jeder kommt mit den gleichen Begriffen zur Bedürfnisaufnahme: Zeitlos, schlicht, reinigungsfreundlich, langlebig, einzigartig. Obwohl der Trend auf warme, wohnlichen Farben und Materialien liegt, möchte praktisch jeder Kunde etwas Neues – etwas, dass der Nachbar nicht hat. Deshalb entwickeln wir ständig neue Designs, damit jede Küche einzigartig bleibt. Auffallend ist auch, dass alte, bewährte Materialien wie Linoleum plötzlich wieder ein Revival erleben. Bei den Geräten ist der Combisteamer nach wie vor ein Dauerbrenner. Der Quooker – ein Wasserhahn, aus dem kochendes Wasser läuft – hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt und ist sehr zu empfehlen. Seit Corona ist auch zu beobachten, dass die Nachfrage nach mehr Kühlvolumen gestiegen ist.

Wie in allen Lebensbereich wird es auch in der Küche immer digitaler. Werden wir bald alle in Küchen kochen, wo das Smartphone unentbehrlich sein wird?
Ich glaube nicht. Die grossen Hersteller wie V-Zug, Electrolux oder Miele sind zwar fast krampfhaft dabei, vernetzten Geräten einen Sinn zu implantieren. Zurzeit ist dieser aber noch schwer zu erkennen. Obwohl ich sehr technikaffin bin, sehe ich da eher einen kleinen Nutzen. Am ehesten noch in der Fernanalyse eines Gerätes, damit der Servicetechniker die richtigen Ersatzteile gleich mitbringen kann. Doch bis die Firmen soweit sind, dauert es noch ein paar Jahre.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie sieht Ihre eigene Küche aus?
Da wir zurzeit zur Miete wohnen, fällt die Küche recht unspektakulär aus. Aber da wir unsere Ausstellung regelmässig erneuern, kann ich mich als Bauherr sehr stark austoben und immer wieder neue Küchen kreieren. So erhalten die Besucher einen möglichst guten Eindruck von den Möglichkeiten.

Bild: FS

Dieser Text ist aus dem LEADER-Fokus Home. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch stgallen24.ch.

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