Text: Tanja Millius
Wie schnell sich die Situation in Bezug auf Corona ändern kann, musste Anja Zell als Leiterin Marketing und Kommunikation bei der OBT AG erfahren, die das VR-Symposium zusammen mit dem Schweiz. Institut für Klein- und Mittelunternehmen an der Universität St.Gallen (KMU-HSG) organisiert. «Der Anlass Anfang September in Zürich war mit über 200 Teilnehmern ausverkauft – und wir freuten uns auf die Durchführung», so Zell. Mit den verschärften Hygienemassnahmen des Kantons Zürich sei eine Durchführung für das OK-Team aber nicht mehr verantwortbar gewesen
Für die Organisatoren stand die Gesundheit der Teilnehmer an oberster Stelle. Die Vorträge hätten sie zwar allenfalls noch durchführen können, aber es war auch ein Steh-Apéro geplant – und in den Pausen hätte es eine Durchmischung der Teilnehmer gegeben. «Wäre ein Symposiumsteilnehmer nach dem Anlass positiv getestet worden, hätte dies Quarantänepflicht für alle 220 Gäste, zumeist Verwaltungsräte, bedeutet – undenkbar für uns», sagt Anja Zell. «Für uns steht der Live-Event auch für 2021 im Vordergrund bei den Vorbereitungen. Das VR-Symposium lebt stark vom Networking. Das geht nicht digital.» Sollte sich die Corona-Situation im Hinblick auf das VR-Symposium im Herbst 2021 nicht entspannen, so überlege sich das OK einen Plan B und verschiedene Szenarien, die auch eine hybride Veranstaltung beinhalten könnten. «Das wäre für uns allerdings eher ein Notfallszenario», betont Zell.
Planungsunsicherheit bleibt
Volle Kraft voraus heisst es derzeit bei den Organisatoren des Schweizer KMU-Tags, der am 23. Oktober in St.Gallen stattfindet. «Die grösste Herausforderung ist es, nicht zu wissen, was Ende Oktober gelten wird – und dennoch schon zu planen und mit den Olma Messen alles vorzubereiten», erklärt Roger Tinner, Inhaber und Geschäftsführer der Kommunikationsagentur alea iacta, die den KMU-Tag zusammen mit KMU-HSG organisiert. Gleichzeitig gebe es natürlich laufend Fragen von Partnern, Sponsoren und Teilnehmern.
Am KMU-Tag 2019 nahmen gut 1200 KMU-Führungskräfte teil. Dieses Jahr dürften es etwas weniger sein. «Insgesamt rechnen wir mit einer Zahl zwischen 800 und 1000, was jedoch gleichzeitig die Organisation und die Einhaltung der Massnahmen vor Ort erleichtert», so Tinner. Derzeit gehe er davon aus, dass die Veranstaltung stattfinde. Sollte sich die Situation in Bezug auf Corona wieder verändern und Massnahmen verschärft werden, sei man darauf vorbereitet: «Möglicherweise gibt es dann eine Maskenpflicht und einen eingeschränkten ‚sozialen’ Teil», sagt Tinner. Eine Hybrid-Veranstaltung sei nicht geplant, und auch die Nachfrage nach einer rein virtuellen Teilnahme, die auch angeboten werde, halte sich in engen Grenzen. «Bisher sind es vielleicht zwei Dutzend, die daran interessiert sind. Weit über 90 Prozent wollen vor Ort dabei sein», betont Tinner.
Die Zukunft der Events sieht Roger Tinner nicht bei hybriden Events. Rein analog und rein virtuell sei deutlich einfacher für Organisation wie Teilnehmer. «Aus meiner Sicht werden sich mittel- und langfristig virtuelle Anlässe ähnlich etablieren wie jene, bei denen man sich persönlich trifft. An eine hybride Zukunft von Events glaube ich persönlich nicht, sie sind Notlösungen.» Was das Pricing anbelange, könnten rein virtuelle Anlässe ähnlich spannend sein. Tendenziell seien rein virtuelle Anlässe mit weniger Aufwand (Reisen, Verpflegung etc.) verbunden, sodass die Budgets kleiner werden. «Hybride Anlässe sind am teuersten und daher auch für Sponsoren am schwierigsten», hält Tinner fest. «Wir bieten die virtuelle Teilnahme deutlich günstiger an, aber auch sie hat ihren Preis. Wer meint, mit kostenlosen virtuellen Events seine Zukunft als Veranstalter sichern zu können, macht einen klaren Fehler.»
Olma Messen St.Gallen sind vorbereitet
Neue Wege in der Krise suchen die Olma Messen St.Gallen, die mit der Absage von Grossmessen wie der Immo Messe, OFFA und insbesondere der OLMA ein rabenschwarzes Jahr erlebt. Auch neu geplante Events wie die Jakob Live Session musste im August kurzfristig wieder abgesagt werden. Planungssicherheit gibt es nach wie vor keine.
«Wir lernen, damit umzugehen», hält Olma-Direktorin Christine Bolt fest. Die Corona-Taskforce der Olma Messen beobachte die Entwicklungen rund um Corona sehr intensiv und beurteile wöchentlich die aktuelle Situation. «Unser Ziel ist es, so viele Veranstaltungen wie möglich durchzuführen und gleichzeitig die Kosten tief zu halten», erklärt Bolt. Prozesse würden überarbeitet, um sehr kurzfristig reagieren zu können. Zudem sei ein Schutzkonzept erarbeitet worden, dass die Leitlinien für alle Arten von Veranstaltungen vorgebe. Die konkreten Massnahmen würden jeweils der Art des Anlasses und den Bedürfnissen der Veranstalter angepasst. «Wir fühlen uns somit auf kleinere und grössere Veranstaltungen gut vorbereitet.»
Neue Messemodelle
So eine Veranstaltung ist «Pätch», das neue Event-Format, das im Oktober ein bisschen OLMA aufs Olma-Gelände bringen soll. Und auch im Bereich Congress-Events sind laut Bolt einige Veranstaltungen geplant. Zusammen mit den Veranstaltern würden hier Lösungen für angepasste Konzepte erarbeitet. Eines ist für die Olma-Direktorin klar. «Unser Ziel ist es, nächstes Jahr unsere Messen durchzuführen.» Mit den aktuellen behördlichen Bestimmungen sei dies möglich. Es gehe für die Olma Messen primär um die Umsetzung von Schutzkonzepten und wie Sicherheitsbestimmungen angenehm und effizient umgesetzt werden können – und auch darum, bestehende Konzepte weiterzuentwickeln.
«Als Ersatz für die OBA haben wir Ende Oktober mit der ‚Tischmesse – Berufswahl in der Corona-Krise’ ein komplett neues Format entwickelt», gibt Bolt ein Beispiel. Es sei für Aussteller günstig, jedoch sehr stark strukturiert und mit eingeschränkten Präsentationsmöglichkeiten. Die Nachfrage nach Tischen sei jedoch sehr gross; bereits seien auch viele Anmeldungen von Schulen und Eltern eingegangen.
Messeprogramm wieder hochfahren
2021 sind die ersten Messen im Kalender die «Fest- und Hochzeitsmesse» und die «Grenzenlos». «Hier planen wir mit breiteren Gängen, Bestuhlung und Gastronomie mit den nötigen Abständen und vielen kleineren Interventionen, die teilweise für die Besucher gar nicht spürbar sind», sagt Bolt. Um das Contact Tracing sicherzustellen, werden alle Besucher ihre Tickets online kaufen müssen.
In der aktuellen Situation sieht Christine Bolt Hybrid-Formate am ehesten im Bereich der Congress-Events: «Wir denken wir intensiv in diese Richtung und sind mit unseren Kunden im engen Austausch.» Hier könne ein hybrider Anlass ein Mehrwert bedeuten, für den nicht nur Veranstalter, sondern auch Teilnehmer bereit seien, finanzielle Aufwendungen zu tragen. Bei Messen gehe es jedoch hauptsächlich um den persönlichen Kontakt, ums Ausprobieren, Anfassen, Spüren und Gespräche. «Und das ist virtuell nicht in der gleichen Form möglich wie an einem echten Stand.»
Digitalisierung als Mehrwert
Die Olma Messen überlegen jedoch, die Messen allenfalls unabhängig von der Corona-Krise digital anzureichern und auszuweiten. Das sei ein genereller Trend, mit dem Ziel, Besuchern die Möglichkeit zu bieten, durch bessere Vorbereitung den Messebesuch effizienter zu gestalten und den Kontakt auf das ganze Jahr auszuweiten. «Bei der Fachmesse Tier&Technik sind wir in dieser Richtung mit dem Portal Farming.plus bereits weit fortgeschritten», hält Bolt fest.
«Unsere Aufgabe besteht darin, die richtigen Menschen und Angebote zusammenzubringen – in normalen Zeiten bei uns auf dem Gelände», sagt Christine Bolt. «Die Digitalisierung kann uns helfen, dies noch besser zu machen und das Erlebnis auszuweiten». Erfahrungen anderer Veranstalter in den letzten Monaten hätten aber gezeigt, dass die Zahlungsbereitschaft für digitale Formate sehr gering sei. «Unser Ziel muss sein, mit digitalen Kanälen das analoge Erlebnis besser zu machen – und nicht, es abzulösen.»
Hinsichtlich Planung könnte ein Corona-Impfstoff sicherlich grosse Erleichterung bringen. «Darauf können wir uns aber nicht verlassen», betont Bolt. «Es gilt, zu einer neuen Normalität zu finden – auch mit der Durchführung von Messen und Veranstaltungen. Wir wollen diesem Bedürfnis in angepasster Form gerecht werden», sagt die Olma-Direktorin.