«War es auch schon ihr Gedanke?
Politische Skandale bis auf höchster Ebene reihen sich fast im Wochentakt. In den Leitmedien erfahren regelmässig davon, weil es verantwortungsvolle Journalisten ans Licht bringen. Ein weiteres Mal denkt sich der empörte Leser: 'Es ist allerhöchste Zeit, dass endlich Konsequenzen daraus gezogen werden.' Man wettert vor sich hin, und glaubt, dass das selbst mitfinanzierte Medium als vierte Gewalt, mit der Aufdeckung dieser Skandale, als logische Folgerung auch an dessen Aufarbeitungsprozess interessiert ist.
Hand aufs Herz. Wie viele Aufarbeitungsprozesse sind in den vergangenen Monaten nach Skandalen, durch die Sie sich persönlich betroffen gefühlt haben, nach ihren Erwartungen in die Gänge gekommen? Und vielleicht die Folgefrage: Sind Lug und Betrug nicht nur in der Politik, sondern auch in den Leitmedien zum salopp gewordenen, bezahlten Kavaliersdelikt verkommen?
Ich meine, dass sich die Bürger und zugleich Medienkonsumenten diese Fragen sehr wohl auch unbewusst stellen. Und vielleicht fällt ihnen auf erschreckende Weise auf, dass es nicht der Skandal selbst, sondern auch der plötzlich abgestorbene Aufarbeitungsprozess ist, der eine fortlaufend, resignierende Wirkung auf sie auslöst.
Stünden wir nicht allerspätestens hier in der Pflicht, gegen solche Missstände anzukämpfen. Ob es an Wohlstandsverwahrlosung, am fehlenden Mut, oder etwas anderem liegt, die Versuchung ist gross, das Gefühl der Resignation, als plötzlich nicht mehr so wichtig einzustufen und in einen Zustand der Gleichgültigkeit zu verfallen, um sich mit belanglosen Aktivitäten abzulenken.
Mag sein, dass man mit den Anreizen der Gleichgültigkeit eine Zeit lang bequemer lebt. Wer sich immer wieder die Mühe nimmt, persönliche, menschliche Werte gegen Werte der Gleichgültigkeit abzuwägen, wird erschrecken, in welche Zukunft wir uns selbst mit Gleichgültigkeit lotsen könnten.»