Auf der rund 400 Meter langen Einbahnstrecke vom Neumarkt zum Multertor via Gartenstrasse (200 m) und Oberer Graben (ebenfalls 200 m) gilt neu Tempo 30.
Den Ausschlag für die Temporeduktion gab nicht etwa Lärm oder überhöhte Geschwindigkeiten.
Denn die Grenzwerte werden hier gemäss der Stadtpolizei eingehalten. Grund für Tempo 30 seien vielmehr die zahlreichen Fussgängerstreifen, Einmündungen und Grundstücksausfahrten, «bei denen die Sichtweiten für die heute erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ungenügend sind», wie Stapo-Mediensprecher Dionys Widmer gegenüber dem «Tagblatt» erläuterte.
Werde die Höchstgeschwindigkeit reduziert, könne dies die Verkehrssicherheit verbessern, so der Polizeisprecher.
Wirklich?
Die beiden Strassenabschnitte werden in einem Gutachten des Tiefbauamts als «städtische verkehrsorientierte Strassen» eingeschätzt, wo gewöhnlich ein Temporegime 50 km/h vorgesehenen ist. Von Gesetzes wegen darf die Höchstgeschwindigkeit auf solchen verkehrsorientierten Strassen nur gesenkt werden, wenn die Verkehrssicherheit dies erfordert.
Und hier kommt das grosse Fragezeichen, das Stadtparlamentarier Andreas Dudli (FDP) setzt:
Das Gutachten stützt sich unter anderem auf Geschwindigkeitsmessungen. Diese weisen aus, dass auf dem Oberen Graben bereits heute 50 Prozent der Verkehrsteilnehmer unter 30 km/h fährt, sogar 85 Prozent unter 34.5 km/h.
Warum deshalb eine 17'000-Franken-Aktion der Regierung?
Andreas Dudli will in seinem parlamentarischen Vorstoss vom 27. Februar 2024 vom Stadtrat Folgendes wissen:
- Wieso hält es der Stadtrat für erforderlich, Tempo 30 km/h einzuführen, wenn bereits 85% der Verkehrsteilnehmenden auf dem Oberen Graben unter 34.5 km/h fährt (Stichwort Verhältnismässigkeit)?
- Wieso sieht der Stadtrat die geforderte Verkehrssicherheit mit diesem Regime besser gewährleistet, wenn ohnehin schon Tempo 30 gefahren wird?
- Weiss der Stadtrat anhand der von ihm angeordneten Geschwindigkeitsmessungen, zu welchen Tageszeiten und an welchen Wochentagen die Geschwindigkeiten über 34.5 km/h gemessen wurden?
- Teilt der Stadtrat die Ansicht, dass sich die Umsetzung der Anordnung mit dem Schilderwahn gestalterisch negativ auf das Strassenbild auswirkt?
- Teilt der Stadtrat die Ansicht, dass die Anordnung des Temporegimes aufgrund der bereits sehr moderaten Geschwindigkeit unter altem Regime ein rein politischer Entscheid ist?
- Wurde für die Anordnung ein öffentliches Mitwirkungsverfahren durchgeführt? Falls nein: Ist sich der Stadtrat bewusst, dass die einzige Möglichkeit der Bürgerin oder des Bürgers sich zu äussern der kostenpflichtige Rekurs gegen die Verkehrsanordnung war?
- Ist sich der Stadtrat bewusst, dass er die privaten Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer im Zusammenhang mit dem «Grabenstatut» in Bezug auf die Gestaltung weit härter in die Pflicht nimmt als sich selbst mit dem Schilderwahn?
- Wurde der Denkmalschutz in die Umsetzung der Anordnung einbezogen? Falls nein: Kann sich der Stadtrat vorstellen, dies noch nachzuholen, um so eine Verbesserung der Gestaltung des Strassenbildes zu erzielen?
- Kann sich der Stadtrat vorstellen, diese Anordnung wieder rückgängig zu machen?
Als Bürger und Steuerzahler ist man auf die Antworten des Stadtrates gespannt.