Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Stadt St.Gallen
07.02.2024
07.02.2024 16:42 Uhr

Magie: Ein Tonhallekonzert lässt Musik fühlen

Das Sinfonieorchester St.Gallen will mit seinem neusten Tonhallekonzert ein barrierefreies Musikerlebnis schaffen.
Das Sinfonieorchester St.Gallen will mit seinem neusten Tonhallekonzert ein barrierefreies Musikerlebnis schaffen. Bild: Victor Marin
Das fünfte Tonhallekonzert der Saison bietet eine seltene Gelegenheit, die eigenen Wahrnehmungsgewohnheiten von Musik fundamental zu hinterfragen – und zu erweitern. Gespielt wird es in Zusammenarbeit mit SZBLIND, dem Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen, nicht nur, aber auch für Menschen mit Hörsehbehinderung. Unter dem Titel «Magie. Von Zauberlehrlingen und Meistern» präsentiert das Sinfonieorchester St.Gallen unter der Leitung von Chefdirigent Modestas Pitrenas Werke von Dukas, Ravel und Dvořák.

Klang und Musik werden beinahe unbestritten als auditive Wahrnehmung verstanden – im Konzert bestenfalls als audiovisuelle. Doch das gilt längst nicht für alle. Rund 57’000 Menschen in der Schweiz sind von einer Hörsehbehinderung betroffen, wie eine Erhebung des SZBLIND ergeben hat. Das sind in etwa so viele, wie die Stadt Biel Einwohner zählt. Die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen in den Bereichen Kommunikation, Orientierung und Zugang zu Information und Kultur finden im Alltag und damit auch im kulturellen Leben kaum je Beachtung.

Und dies, obwohl viele von ihnen gerade von Musik eine durchaus konkrete Vorstellung haben, weil ihr Hörvermögen erst mit der Zeit – etwa durch Krankheit oder Unfall – abgenommen hat. Doch auch für Menschen mit Taubblindheit – von ihnen leben nach Schätzung von SZBLIND rund 10’000 in der Schweiz – kann Musik eine wichtige Rolle spielen, denn sie können Klänge mit Hilfe von Schallkörpern taktil wahrnehmen.

Gemeinsam Neuland betreten

Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltungen zu «100 Jahre Dienstleistungen für Menschen mit Hörsehbehinderung» führt SZBLIND deshalb u.a. zwei Konzerte durch: eines in Lausanne und eines in Zusammenarbeit mit Konzert und Theater St.Gallen, wo man sich bewusst dazu entschieden hat, ein reguläres, wenn auch besonders klanggewaltiges Tonhallekonzert dafür zu öffnen.

Die Entscheidung ist doppelt motiviert, weil Konzert und Theater St.Gallen einerseits den Anspruch hat, ein Kulturbetrieb für alle zu sein, andererseits aus der Überzeugung, dass die Art und Weise, wie Menschen mit Hörsehbehinderung Musik rezipieren, ein grosses Potenzial hat, den Horizont des gesamten Konzertpublikums zu erweitern. «Magie», das am 16. Februar in seiner inklusiven Version und am darauffolgenden 18. Februar 2024 als «reguläres» Konzert gespielt wird, stellt habitualisierte Wahrnehmungsgewohnheiten radikal infrage. Nina Hug, Co-Leiterin Marketing und Kommunikation bei SZBLIND, sagt dazu: «Die Praxis, Musik erfahrbar zu machen, ist nicht neu. Bereits früher gab es in der Schweiz verschiedene Anlässe, an denen Klang anders als auditiv wahrzunehmen war.»

Allerdings beschränkten sich diese Bemühungen bislang auf spezialisierte Institutionen oder Konzerte im geschlossenen Rahmen. Damit dies nun für alle auch in einem regulären Konzert möglich ist, wird der SZBLIND Hilfsmittel wie aufblasbare Ballons zur Verfügung stellen. Diese ermöglichen Menschen mit Hörsehbehinderung, die Orchesterklänge über den Tastsinn wahrzunehmen. Auch alle übrigen Besucher sind eingeladen, der Musik für einmal nicht nur andächtig zu lauschen, sondern diese auch jenseits gewohnter Wahrnehmungsmuster zu geniessen.

Klanggewaltiges Programm

Magie präsentiert zunächst Paul Dukas’ «Scherzo nach einer Ballade von Goethe», mit seinen effektvollen Schilderungen des übermütigen Zauberlehrlings eines der Hauptwerke der Programmmusik. Darauf folgt Maurice Ravels Klavierkonzert in G-Dur, das Klassisches mit den für ihn neuartigen Stilen Jazz und Blues verbindet. Als Solist des swingenden, furiosen Stücks erweitert der argentinische Pianist Nelson Goerner das Sinfonieorchester.

Am Ende des Programms steht Antonín Dvořáks 7. Sinfonie, die mit ihren dunklen Moll-Farben, ihrer melodischen Fülle und ihrer orchestralen Tiefe für viele als die beste seiner neun Sinfonien gilt.

 

pd/jos
Demnächst