Die Stadt St.Gallen befindet sich in einer finanziell herausfordernden Situation und weist ein strukturelles Defizit von rund 30 Millionen Franken auf. Zwar steigen erfreulicherweise die Steuererträge, allerdings auch die Aufgaben und Ansprüche, die St.Gallen als Zentrumsstadt zu erfüllen hat. Diese zusätzlichen Lasten lähmen den städtischen Haushalt.
Zentrumslasten werden nicht abgegolten
Im Jahr 2000 hat der Stadtrat durch das Beratungsunternehmen Ecoplan erstmals die sogenannten Zentrumslasten ermitteln lassen. Aktualisierungen erfolgten in den Jahren 2011 und 2017 sowie im vergangenen Jahr.
Zentrumslasten sind jene Leistungen (zum Beispiel Kultur- und Freizeitangebote, öffentlicher Verkehr, Sicherheitsaufgaben), von denen die Bevölkerung ausserhalb der Stadt profitiert, ohne diese jedoch abzugelten.
Ermittelt wurden für das Jahr 2021 Zentrumslasten von knapp 43.8 Millionen Franken. Nach Abzug von Standortvorteilen und Zentrumsnutzen verbleiben netto Auslagen von 28.4 Millionen Franken. Somit entfallen auf die städtischen Steuerzahler pro Kopf durchschnittlich rund 373 Franken jährlich für Leistungen, die Auswärtige in Anspruch nehmen.
12.2 Millionen Franken ungedeckt
Die erhobenen Zentrumslasten liegen damit deutlich über der aktuellen Abgeltung von 16.2 Millionen Franken. Die Stadt St.Gallen erbringt also ungedeckte Leistungen im Umfang von rund 12.2 Millionen Franken pro Jahr (160 Franken pro Kopf).
Die Abgeltung ist als Fixbetrag im Finanzausgleichsgesetz festgeschrieben und wird lediglich der Teuerung angepasst. Bei generell steigenden öffentlichen Ausgaben führt dies zusehends zu einer geringeren Abgeltung der Zentrumslasten.
Soziodemografische Mehrbelastung
Zusätzlich zu diesen Zentrumslasten belasten soziodemografische Sonderlasten die städtische Rechnung. Die Vorgabe des 40-Prozent-Selbstbehalts für überdurchschnittliche, soziodemografisch begründete Kosten sowie die ungenügende Berücksichtigung der gesellschaftlichen Struktur im Schlüssel stellt aufgrund der absoluten Höhe der jährlichen Beträge eine bedeutsame Belastung des städtischen Haushalts dar.
Auf die Stadt St.Gallen entfallen rund 13.8 Millionen Franken ungedeckte soziodemografische Sonderlasten.
ÖV-Kostenverteilschlüssel benachteiligt Stadt
Die Benchmarkingstudie hat gezeigt, dass die Stadt mit dem aktuellen Kostenverteilschlüssel im öffentlichen Verkehr unverhältnismässig stark belastet wird. St.Gallen steuert im Vergleich zum Pro-Kopf-Durchschnitt von Wil, Rapperswil-Jona und Gossau rund 9.8 Millionen Franken mehr zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs bei.
Grossen Einfluss haben hierbei die definierte Gewichtung zwischen Abfahrten und Einwohnenden sowie der festgelegte Gemeindeanteil an den ungedeckten Kosten von 50 Prozent.
Überwälzungen von Aufgaben auf Gemeinden
Mit verschiedenen Spar- und Prozessoptimierungsprogrammen (fit13plus, Futura, fokus25) konnte der städtische Haushalt zwar in den vergangenen Jahren immer wieder entlastet werden. Allerdings verpufften die Effekte allzu rasch aufgrund verschiedener übergeordneter gesetzgeberischer Anpassungen.
Im Vergleich zu 2010 hatte die Stadt im Jahr 2022 Zusatzbelastungen von rund 24.7 Millionen Franken zu tragen, die vom Kanton auf die Gemeinden überwälzt wurden.
Faire Abgeltung erarbeiten
Dem Stadtrat ist an einer fairen Abgeltung gelegen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Hauptstadt nicht zu gefährden und weiter zu erhalten. Es sind verschiedene Handlungsansätze denkbar, die derzeit gemeinsam mit dem Kanton diskutiert werden und in die Revision des Finanzausgleichsgesetzes einfliessen sollen.
Die städtischen Steuerzahler dürfen erwarten, dass die Finanzierungsregelungen in Nachachtung des fiskalischen Äquivalenzprinzips die tatsächliche Belastung des städtischen Haushalts durch Zentrums- und Sonderlasten angemessen berücksichtigen. Die vom Stadtrat getätigte Auslegeordnung soll den Weg für einen fairen Finanzausgleich zwischen Kanton und Hauptstadt ebnen.
Die Ecoplan-Studie 2021 kann auch auf der städtischen Website unter www.stadtsg.ch/finanzen (Seitenende) heruntergeladen werden. Ebenfalls dort befindet sich der Anhang zur Studie.