Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Kanton
17.05.2023

Wenn Alkohol zum Stressfaktor wird

(Symbolbild)
(Symbolbild) Bild: SDA / Keystone
Am 25. Mai findet der nationale Aktionstag Alkoholprobleme statt. Unter dem Thema «Alkohol gegen Stress – Stress mit Alkohol» beantworten Berater der Suchtfachstelle St.Gallen und Rorschach via Chat oder Hotline die Fragen von Betroffenen sowie Angehörigen.

Mit dem Aktionstag soll die Bevölkerung für die Belastungen sensibilisiert werden, mit denen Personen mit Alkoholproblemen und ihre Angehörigen leben. Im Zweijahresrhythmus wird ein Thema ausgewählt, um eine Botschaft zu vermittelt. In diesem Jahr geht es um «Alkohol gegen Stress – Stress mit Alkohol».

«Ich habe getrunken, um den Stress zu regulieren und um mich zu stabilisieren», erklärt eine Klientin der Suchtfachstelle St.Gallen. Auch bei Beziehungsstress habe sie häufig getrunken. Irgendwann habe sie dann auch ohne Grund, angefangen zu trinken. «Mein Umfeld wusste nichts davon. Ich habe heimlich getrunken», sagt die 40-Jährige.

Suchtmittelfreie Alternativen

Der Körper habe immer mehr Alkohol gefordert, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Die physischen Folgen des übermässigen Alkoholkonsums blieben nicht aus. «Ich bekam einen Stressbauch und Schmerzen am ganzen Körper.»

Ihre Gedanken seien nur noch um das Thema Alkohol gekreist. Sie habe nicht mehr arbeiten können. «Eines Morgens sass ich mit einem Bier am Tisch und wollte nichts mehr fühlen.» Nach dem Zusammenbruch entschied sie sich für eine stationäre Behandlung.

«Damit der Alkohol nicht irgendwann zum Stressfaktor wird, sind suchtmittelfreie Alternativen gefragt», sagt Anja Schuler, Bereichsleiterin Beratung der Suchfachstelle St.Gallen und Rorschach. Die Fachkräfte der Suchtfachstelle erarbeiten in einem Beratungsprozess mit den Betroffenen individuelle Lösungsansätze.

Die monatlichen Gespräche mit ihrer Beraterin bei der Suchtfachstelle und ein Achtsamkeitskurs seien enorm hilfreich, um trocken zu bleiben, sagt die Klientin. Sie habe gelernt, bei Konflikten und stressigen Situationen darüber zu reden.

Ventil zur Stressbewältigung

«Ich hatte kein anderes Ventil zur Stressbewältigung», erzählt eine weitere Klientin der Suchtfachstelle St.Gallen ihre Geschichte. Der Alkohol habe ihr anfangs geholfen, ihr enormes Pensum zu bewältigen. Sie habe sich wie in einem Hamsterrad gefühlt und allen Ansprüchen gerecht werden wollen.

Die Doppelbelastung als berufstätige Mutter sei immer grösser geworden. «Ich hängte dem Fahrplan permanent hintennach», sagt die 54-Jährige.

Zuerst habe sie, um herunterzukommen, ein bis zwei Bier getrunken, dann wurden es mehr. Bei der Arbeit gab es keine Probleme, doch der Druck in der Familie wurde immer grösser. Sie sei häufig gereizt, müde und vergesslich gewesen, sagt sie: «Im Rauschzustand war ich nicht mehr ich selbst.» Die Folge waren Schuldgefühle, eine Leere und noch mehr Stress wegen des Alkohols.

Nach unzähligen Versprechen, mit dem Trinken aufzuhören, habe ihr Mann ihr das Messer an den Hals gesetzt. «Wir haben in der Familie offen über das Thema kommuniziert», sagt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Ihr sei selbst klar geworden, dass sie sich Hilfe holen müsse.

Über Gewohnheiten nachdenken

Sie sei dankbar für die verständnisvolle Begleitung in der Krisensituation. In den regelmässigen Sitzungen in der Suchtfachstelle habe sie Techniken zur Stressregulierung entwickelt. «Ich kann den Schritt allen Betroffenen empfehlen», sagt die 54-jährige Frau, die seit einem Jahr keinen Alkohol mehr trinkt.

Anlässlich des Nationalen Aktionstags Alkoholprobleme laden die Berater der Suchtfachstelle Betroffene ein, in einem Chat und einer Hotline Fragen zu stellen und über die eigenen Gewohnheiten der Stressbewältigung und die Motive nachzudenken, die hinter dem Alkoholkonsum stecken.

Die Suchtfachstelle St. Gallen und Rorschach ist am 25. Mai, von 9 bis 22 Uhr, per WhatsApp-Chat unter der Nummer 077 479 51 91 oder auf der Hotline 076 720 49 36 erreichbar.

Weitere Infos

Das sind Fakten

Stress ist ein anerkannter Risikofaktor für Sucht. Studien haben gezeigt: Wer unter Druck steht, greift schneller zu Alkohol und trinkt tendenziell mehr. In unserer modernen, schnelllebigen und von Erfolgsdruck geprägten Gesellschaft sehen sich viele Menschen ständigem Stress ausgesetzt.

Häufige Stressauslöser sind der Termindruck, Veränderungen am Arbeitsplatz, die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine ständige Reizüberflutung. Ein Bewältigungsmechanismus für diesen Stress kann das Glas Bier oder Wein zum Abschalten und Entspannen am Abend sein, das bei einem dauerhaften Konsum in eine Sucht führen kann. Hier ist es wichtig, dass Menschen, die unter Stress leiden, gesunde Bewältigungsstrategien erlernen können.

pd/stgallen24
Demnächst