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Stadt St.Gallen
12.01.2022
12.01.2022 11:08 Uhr

Neue Pfarrerin: «Ein wichtiger Schritt für uns Frauen»

Kathrin Bolt soll die neue Pfarrerin der St.Laurenzen-Kirche werden.
Kathrin Bolt soll die neue Pfarrerin der St.Laurenzen-Kirche werden. Bild: FORWARD Elke Hegemann
Die St.Gallerin Kathrin Bolt wurde als Pfarrerin für die St.Laurenzen nominiert. Sie übernimmt die Nachfolge von Pfarrer Hansruedi Felix, der nach knapp 20 Jahren altershalber zurücktritt. Bolt wäre damit die erste Frau in diesem Amt.

«Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist in der Person von Kathrin Bolt eine Pfarrerin mit solidem theologischem Fundament, liturgischem Geschick, Freude an Teamarbeit, guter Vernetzung in unserer Stadt und menschenfreundlicher Ausstrahlung zu gewinnen», schreibt die Kirchenvorsteherschaft zur Nominierung von Kathrin Bolt als Pfarrerin der bedeutendsten evangelischen Kirche der Ostschweiz. Im Interview mit stgallen24 spricht die 41-Jährige über die neue Herausforderung, über Feminismus, Veränderungen und Traditionen.

Pfarrerin Kathrin Bolt, Sie wurden wurden zur Wahl als neue Pfarrerin der Stadtkirche St.Laurenzen vorgeschlagen und würden damit das Amt im Herbst antreten. Darf man schon gratulieren? Und was bedeutet Ihnen das?
Gewählt bin ich noch nicht, aber in aller Regel ist das eine Formsache. Es freut mich riesig und ich fühle mich sehr geehrt, dass ich die Möglichkeit bekommen werde, die neue Pfarrerin unserer Stadtkirche zu werden. 

Haben Sie sich selbst beworben oder wurden Sie angefragt?
Ich wurde zur Bewerbung motiviert. Mir selbst kam es zunächst nicht in den Sinn, mich für dieses Amt zu bewerben. Deshalb war auch mein erster Impuls «nein, das mach ich nicht». 

Warum das?
Aus Respekt vor dieser Aufgabe und weil ich als Pfarrerin in der Kirchgemeinde Straubenzell sehr zufrieden bin. Je länger ich mich aber damit befasst habe, desto mehr gefiel mir der Gedanke und plötzlich hat es sich sehr richtig angefühlt. Ich bin jetzt über 40 und arbeite seit 13 Jahren in Straubenzell und es ist ein guter Zeitpunkt, um eine neue Herausforderung anzutreten. Ausserdem fühle ich mich sehr wohl in der Stadt St.Gallen und eigentlich hätte mir nichts Besseres passieren können.

Zu Ihren Vorgängern gehören Pfarrer Hansruedi Felix und Christoph Sigrist. Wie ist es für Sie, nun in diese Fussstapfen zu treten?
Ich schätze beide sehr und finde, dass sie wundervolle Arbeit geleistet haben. Christoph Sigrist war eine sehr prägende Figur in meinem Leben und einer der Gründe, warum ich überhaupt Pfarrerin geworden bin. Er hat für mich eine Vorbildfunktion und inspiriert mich sehr. Über meine Wahl hat er sich riesig gefreut.

Was möchten Sie anders als Ihre Vorgänger machen und was möchten Sie beibehalten?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen und als erstes muss man sich kennenlernen und herantasten. In der St.Laurenzen-Kirche läuft schon viel Kulturelles und es ist eine sehr offene Kirche – das möchte ich unbedingt so beibehalten. Die Predigten und Gottesdienste haben einen hohen Stellenwert. Das ist auch wichtig und mir ist es ein grosses Anliegen, dass man aber auch darüber hinaus den Austausch sucht, wie beispielsweise mit einem Kaffee nach dem Gottesdienst. Es soll eine gastfreundliche Kirche sein. Ausserdem würde ich gerne die Vernetzung mit der Stadt und den «Frauen», wie beispielsweise dem Projekt «Wiborada» der katholischen Kirchgemeinde, ausbauen. Es wäre schön, wenn wir da unser Wirken verstärken könnten.

Sie wären die erste Frau überhaupt in diesem Amt. Denken Sie, dass man heute mehr Akzeptanz als Frau in einem Pfarreramt erfährt, als beispielsweise vor zwanzig Jahren?
Frauen predigen ja schon länger in der St.Laurenzen-Kirche und ich hatte da auch schon einige Predigten, aber dass jetzt eine Pfarrerin das Amt übernimmt, ist ein wichtiger Schritt für uns Frauen. Meine Vorgängerin in Straubenzell meinte zu mir, dass das vor fünfzig Jahren undenkbar wäre. Ich denke aber, dass die Stadt St.Gallen bereit für eine Frau ist – es war sogar wünschenswert, so wie ich das mitgekriegt habe. Das zeigt auch Maria Pappa als Stadtpräsidentin und Katrin Meier als Bürgerratspräsidentin. Es erfüllt mich mit Stolz, wenn ich mich da eingliedern darf. 

Sie sagten, dass Sie Respekt vor der Aufgabe haben. Wo sehen Sie die grösste Herausforderung?
Bei den Erwartungen, denn diese unterscheiden sich stark. Es gibt Stimmen, die sich Neuerungen, Kreativität und Innovation wünschen und es gibt Stimmen, die die Traditionen und Handhabungen bewahren möchten. Ich bin ein Harmonie-Mensch, und für vieles zu haben. Da werde ich einige schwierige Entscheidungen treffen müssen. Das sehe ich zur Zeit als meine persönliche Herausforderung.

Wie sieht also Ihre Strategie aus? Innovation oder Tradition?
Ich denke, dass es eine gute Mischung braucht. Eine Strategie habe ich noch nicht, diese möchte ich nicht im Alleingang entwickeln. Dafür sollen alle Mitarbeitenden hinzugezogen werden. Innovation ist aber gewünscht, sonst hätte man mich wohl nicht zur Wahl vorgeschlagen. Was sicher neu sein wird, ist die 3D-Orgel, die die St.Laurenzen-Kirche im Jahr 2023 erhält. Dieser neue Schatz und Weltneuheit soll weit über St.Gallen hinausstrahlen. Die Kirche soll Schauplatz für neue Ideen und Menschen werden. 

Es ist sicher nicht einfach, in der aktuellen Zeit, wo viele Menschen über seelisches Leid klagen, ein solches Amt anzutreten. Wo sehen Sie die Rolle der Kirche in der Pandemie?
Wie Sie es schon mit Ihrer Frage impliziert haben: als Seelsorgerin. Wir versuchen Menschen seelisch zu stärken, ihnen Ängste zu nehmen und auch der Frage nachzugehen, wie man Leben schützt und den Wert vom Leben schätzt. Denn jedes Leben kann selig werden, auch mit Krankheit. Die Seelsorge ist das Herzstück einer Kirche und ich bin der Meinung, dass diese noch weiter ausgebaut werden kann. Das hat die Pandemie nochmals deutlich gemacht.

Die Frage muss man leider auch noch im Jahr 2022 stellen: Sie sind Mutter und arbeiten jetzt in einem 60-Prozent-Pensum. Als Pfarrerin in der St.Laurenzen-Kirche würden sie aufstocken müssen. Wird das eine Herausforderung?
Ja, leider muss man diese Frage stellen, denn es ist die Realität, dass sich noch immer Frauen darüber Gedanken machen müssen, ob sie Job und Familie unter einen Hut kriegen. Das war auch ein Gedanke, der mir als Feministin durch den Kopf ging: Ein Mann hätte wahrscheinlich nicht gezögert und die Stelle sofort angenommen. Ich wünsche mir, dass Frauen und Männer in Zukunft die gleichen Voraussetzungen haben und es normal ist, wenn beide Karriere und Familienarbeit machen.

Aber ja, es wird eine sehr grosse Herausforderung für mich! Aber ich hoffe, dass man flexibel und offen ist, wenn ich mal wegen eines Notfalls nach Hause statt zu einer Besprechung muss. Ich bin da aber guter Dinge, weil ich eine super Umfeld habe, das mich unterstützt.

Was macht für Sie eine gute Predigt aus?
Eine gute Predigt ist für mich wie ein Kunstwerk. Sie darf nicht herablassend sein oder belehrend, sondern soll bei den Zuhörenden etwas auslösen, sie soll sie trösten, sie ermutigen, zum Schmunzeln bringen oder überraschen. 

Miryam Koc/stgallen24
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