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Stadt St.Gallen
18.12.2021

Mundart-Kolumne: «Hopp Sanggale»

Susan Osterwlder-Brändle
Susan Osterwlder-Brändle
Susan Osterwalder-Brändle erforschte während Jahren den St.Galler Dialekt. Mit «Hopp Sanggale!» entstand ein Werk mit rund 3000 Mundartbegriffen und Redensarten, die zum Teil schon in Vergessenheit geraten sind. Auf stgallen24 leben sie wieder auf. Heute: «Gsottnigs».

Gsottnigs; sächlich, Singular und bedeutet gesottenes Fleisch

Die Adventszeit war im katholischen Kirchenjahr einst Zeit der Busse und des Fastens. Sie endete mit grossen Festmenüs im Kreise der Familie. Auch nach Aufhebung des Fastengebotes ab 1917 bleibt das Weihnachtsessen einer der am aufwändigsten vorbereiteten Weihnachtsbräuche. Was regional zu Weihnachten gegessen wird, ist teilweise länderübergreifend gleich, teilweise allerdings sehr individuell und lokal begrenzt.

Bei dem Begriff Weihnachtsessen wurde früher zwischen dem ersten Essen am Ende der Fastenzeit und den folgenden Schlemmerzeiten unterschieden. Ursprünglich wurde der ausgehungerte Fastenmagen erst mit leichten Speisen gefüllt, bevor er am nächsten Tag bereit für Braten und vielerlei Leckereien und Schlemmereien war. In der christlichen Weihnachtsgeschichte bringt die Geburt des Jesuskindes alle Menschen zum Jubeln und Feiern. Durch diesen üppigen, kulinarischen Weihnachtsbrauch wird dieser Symbolik neben der Bescherung, Rechnung getragen.

Auch in der Schweiz gibt es grosse regionale Unterschiede dieses traditionellen oder neo-traditionellen Weihnachtsessens. So erheitert uns derzeit ein Werbespot mit einer „Vegans“- einer veganen Form der traditionellen Weihnachtsgans. Ansonsten gibt es bei Herr und Frau Schweizer von „Rippli mit Suurchrut“ über „Wienerli mit Härdöpfelsalot“ und das gute alte „Fondue Chinoise“, alles Queerbeet.

Früher dominierte (neben den beiden ersten, gerade genannten Menüs) vorallem eines, nämlich „Gsottnigs“! Es handelte sich dabei um ein grosses Stück Rindfleisch, welches weder in der Bratpfanne, noch im Backofen gegart, sondern in einer Brühe gekocht, also „gesotten“ wurde. Das war für viele, die sich überhaupt Fleisch leisten konnten, eine besondere Delikatesse. Mein Mami schwärmte stets von ihrem Lieblingsessen, das nur dieses eine Mal im Jahr, nämlich am Weihnachts-Heiligabend auf den feierlich gedeckten Tisch kam: die „Gsöttsoppe.“

Auch hier kam ein ordentliches Stück Rindfleisch – in unserem Fall eine ganze Rindszunge – in einen grossen Topf mit Fleischbrühe und Gemüse und kochte stundenlang vor sich hin. Ein deftiges Gericht mit Kartoffeln, Gemüse und Salat, das in diese festliche Zeit bestens passte.

Zum Dessert gab es gefüllte Äpfel aus dem Ofenrohr und allerlei selbstgemachtes Weihnachtsgebäck. Von vegetarischem oder veganem Essen war damals natürlich noch nicht die Rede. Im Gegenteil. Auch wenn das, was für den Rest der Festtage noch ​ auf den Tisch kam, dem Leser, der Leserin von heute, Magendruck verursachen dürfte, so war es doch eigentlich die Konsequenz der damaligen Ernährung (vorallem während des Zweiten Weltkrieges und danach): es wurde fast alles gegessen, was beim Schlachten anfiel. Mit „Schweineschwänzli“, „Gnagi“, „Schnörrli“, „Utter“, „Gschtell“ und „Chuttle“, kamen Dinge auf den Tisch, die mir heute nicht nur ein ungutes Gefühl in der Magengegend verursachen, sondern mir regelrecht die Weihnachtsfreude vergellen würden. Dann esse ich lieber einpaar Chräbeli mehr...

Susan Osterwalder-Brändle, stgallen24-Kolumnistin
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