Ob es weise (Wetter-)Voraussicht war, dass das Orchester nicht vor Ort in einem Orchestergraben spielte, sondern in der Tonhalle und der Ton per Glasfaser auf den Klosterhof übertragen wurde? – Wie dem auch sei: Trotz Temperaturen um die 15 Grad und einiger Regengüsse starteten die St.Galler Festspiele die Saison 2022 mit der Premiere von Verdis Version der Jungfrau von Orléans mit einer tollen Aufführung.
Empfand man das Bühnenbild zu Anfang vielleicht als noch etwas schlicht, änderte sich das dann aber, sobald die Dunkelheit einbrach und die Klostertürme lichttechnisch mit einbezogen wurden – grandios!
Auch die eingangs erwähnte Aufsplittung von Orchester und Stimmen ist gelungen; die technische Tonqualität war überragend, und wer wollte, konnte Dirigent Modestas Pitrenas via Bildschirm beobachten.
Das taten wohl die wenigsten, denn das Geschehen auf der Bühne vermochte rundum zu fesseln – das ist, natürlich, einerseits der spannenden Geschichte geschuldet (siehe Box), andererseits dem Grossmeister aus Bussetto, denn mit Giuseppe Verdi kann man eigentlich nichts falsch machen.
Und das haben die St.Galler Festspiele auch nicht – sieht man der dem Regietheater geschuldeten Konstümierung ab, die mit ihrem Stilmix aus verschiedenen Epochen wenig mit der damaligen Mode zu tun hat, war die ganze Aufführung eine einfach schöne, gelungene Darbietung: tolle Stimmen, eingängige Musik (selbst wenn Verdis Frühwerk die ganz grosse, bekannte Arie fehlt) und engagierte Darsteller von jung bis alt, von Hauptrolle bis zum Statisten.
Selbst Petrus hatte seine Freude an der Aufführung: Schon bald stellte er seine Ergüsse ein, sodass das Publikum den grössten Teil trocken geniessen konnte. So mussten die Zuschauer am Schluss auch nicht von der Tribüne hasten und konnten die Premiere mit einem mehrminütigen, begeisterten Applaus verdanken.
Mehr Informationen zu den St.Galler Festspielen 2022 (24. Juni bis 8. Juli) finden Sie in der LEADER-Sonderausgabe dazu.